Noch leichter als gedacht: Die Milchstraße enthält offenbar nur halb so viel Dunkle Materie wie bisher vermutet. Dies hat eine neue Berechnung der Masse unserer kosmischen Heimat durch australische Astrophysiker ergeben. Damit lassen sich nun auch einige zuvor rätselhafte Eigenschaften der Milchstraße genauer bestimmen, wie die Forscher im „Astrophysical Journal“ berichten.
Die Masse einer Galaxie zu bestimmen ist gar nicht so einfach: Der größte Teil davon ist Dunkle Materie, die sich nicht direkt beobachten lässt. Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, besteht nur zu geschätzten zehn Prozent aus gewöhnlicher Materie, die wir sehen, beobachten und messen können. Die Dunkle Materie ist dagegen lediglich anhand ihrer Gravitationswirkung erkennbar – sie beeinflusst die Bewegungen von Sternen innerhalb einer Galaxie und von Galaxien relativ zueinander. Die tatsächliche Masse der Dunklen Materie in der Milchstraße und damit auch die Gesamtmasse der Galaxie ließen sich bislang nur grob abschätzen.
Sterne aus den Außenbezirken liefern Details
Astronomen um Prajwal Kafle vom International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR) in Perth haben nun die bislang genaueste Berechnung der Masse an Dunkler Materie in der Milchstraße aufgestellt. Als Ausgangspunkt dienten ihnen die Geschwindigkeiten und Bewegungen von Sternen – bereits 1915, Jahrzehnte vor der Entdeckung der Dunklen Materie, beschrieb der Astronom James Jeans eine Methode, nach der sich auf diesem Weg die Massen von Himmelskörpern bestimmen lassen.
Kafle und seine Kollegen bezogen für ihre Studie mehr Sterne in den Randbereichen der Milchstraße mit ein als frühere Berechnungen. Dadurch ist die Rechnung detaillierter und präziser als bisher: Gerade in den Außenbezirken befindet sich nämlich der größte Teil der Dunklen Materie. Demnach kommt die Milchstraße auf eine Menge von 800 Milliarden Sonnenmassen an Dunkler Materie – nur rund halb so viel wie bisher angenommen.
Dunkle Materie erklärt Satelliten-Galaxien
Dieser beachtliche Unterschied löst auch ein Rätsel, das Astronomen schon seit fast 15 Jahren beschäftigt: Nach dem momentan gängigen kosmologischen Modell zur Entstehung und Entwicklung von Galaxien „sollten wir eine Handvoll großer Satelliten-Galaxien um die Milchstraße herum mit bloßem Auge sehen können, aber die sehen wir nicht“, sagt Krafle. Mit dem neu berechneten Wert für die Dunkle Materie sinkt die von der Theorie vorhergesagte Anzahl der Satelliten auf nur noch drei – genauso viele, wie wir tatsächlich sehen können: Die große und die kleine Magellansche Wolke sowie die Sagittarius Zwerggalaxie.
Anhand der Masse der Milchstraße lässt sich ebenfalls die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit berechnen. Dies ist die nötige Geschwindigkeit, um die Schwerkraft zu überwinden und die Galaxie zu verlassen. „Man sollte damit rechnen, mindestens 550 Kilometer pro Sekunde zu schaffen, wenn man dem Schwerkraft-Griff unserer Galaxie entkommen will“, sagt Kafle. Zum Vergleich: Eine Rakete benötigt gerade mal elf Kilometer pro Sekunde, um die Erde zu verlassen – und selbst das ist bereits rund das 300-Fache der deutschen Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde.
(The Astrophysical Journal, 2014; doi: 10.1088/0004-637X/794/1/59)
(International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR), 14.10.2014 – AKR)