Rätselhafter Unterschied: Obwohl Mars und Venus der Erde geologisch ähnlich sind, war ihre Atmosphäre schon in der Frühzeit anders. Warum, haben jetzt zwei US-Forscher herausgefunden: Die Plattentektonik ist schuld. Denn sie erzeugte entlang der Plattengrenzen so Bedingungen im Gestein, die besonders viel molekularer Stickstoff freisetzten. Auf Mars und Venus dagegen fehlt diese geologische „Stickstoffpumpe“, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ erklären.
Die Atmosphäre der Erde ist einzigartig: Im Vergleich zu ihren Nachbarplaneten Mars und Venus enthält sie nicht nur mehr Sauerstoff, auch das Verhältnis von Stickstoff zu Edelgasen ist fundamental verschieden. Seltsam ist dies deshalb, weil die Uratmosphäre der meisten Gesteinsplaneten durch Vulkanausbrüche entstand. Sie spien Lava und Gase und reicherten so die Atmosphäre mit Stickstoff und Edelgasen aus dem Erdmantel an. Doch das Mantelgestein ist auf Erde, Mars und Venus sehr ähnlich und auch Vulkanausbrüche gab es auf allen drei Planeten.
Extreme Bedingungen an der Plattengrenze
Umso rätselhafter ist der Stickstoffüberschuss der irdischen Gashülle gegenüber der von Mars und Venus. Sami Mikhail und Dimitri Sverjensky von der Carnegie Institution of Washington suchten nach einer Erklärung und hatten dabei einen ganz bestimmten Aspekt der irdischen Geologie im Verdacht: die Plattentektonik. Denn sie findet in diesem Ausmaß nur auf der Erde statt, nicht aber auch Mars und Venus.
Dort, wo an den Plattengrenzen wasserhaltiges Krustengestein in die Tiefe gedrückt und aufgeschmolzen wird, herrschen extreme Bedingungen: „Überkritische wässrige Flüssigkeiten stehen dort unter einem bis fünf Gigapascal Druck und werden auf 600 bis 1.000 Grad erhitzt“, so die Forscher. Wie sich diese Bedingungen auf die Reaktionen und die Freisetzung von Stickstoff auswirken, haben die Forscher nun mit Hilfe von chemisch-physikalischen Modellrechnungen näher untersucht.
Einzigartige Stickstoffpumpe
Das Ergebnis: Heizt sich das Gestein unter den Plattengrenzen auf rund 1.000°C auf, entstehen in der Tiefe Bedingungen, die die Entstehung von molekularem Stickstoff fördern. „Diese im Verhältnis zum restlichen Mantel oxidierenden Bedingungen sind einzigartig für die Erde, soweit wir wissen“, berichten die Forscher. Sie kommen vor allem unter den Subduktionszonen der pazifischen Inselbögen vor. Dort bringt erst die Plattentektonik oxidierende Flüssigkeiten in das unter den Plattenrand gedrückte Gestein.
Dadurch verändert sich das normalerweise reduzierende Milieu und statt Ammonium wird gasförmiger Stickstoff freigesetzt. Über die Vulkane entlang dieser Inselbögen könnte dann auch schon in der Urzeit der molekulare Stickstoff in die Erdatmosphäre gelangt sein. Diese Stickstoff-Freisetzung muss demnach etwa um die Zeit begonnen haben, in der auch die Plattentektonik auf der Erde einsetzt. Wann genau dies der Fall war, ist bisher strittig, wahrscheinlich aber geschah dies vor spätestens vor drei Milliarden Jahren.
Auf Mars und Venus gab es dagegen keine Plattentektonik, als Folge fehlte auch die „Stickstoffpumpe“ des Mantels. „Die Atmosphären und die Lebensfreundlichkeit von Mars und Venus haben sich daher in andere Richtungen entwickelt“, sagen die Forscher. Ihrer Ansicht nach unterstreicht dieses Ergebnis, dass die Plattentektonik nicht nur eine wichtige Rolle für das Aussehen und die Geologie eines Planeten spielt. Stattdessen könnte sie sogar eine entscheidende Voraussetzung dafür sei, dass sich auf einem Gesteinsplaneten lebensfreundliche Bedingungen entwickeln. (Nature Geoscience, 2014; doi: 10.1038/ngeo2271)
(Nature, 20.10.2014 – NPO)