Bei acht ist eigentlich Schluss: Bisher kannte man nur chemische Verbindungen, bei denen Atome maximal acht Elektronen an ihren Reaktionspartner abgeben. Jetzt jedoch hat ein internationales Forscherteam erstmals ein Molekül nachgewiesen, das die Oxidationsstufe IX besitzt. In diesem Iridium-Tetroxid-Ion hat das Iridium sogar neun Elektronen abgegeben, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Mit wem sich ein chemisches Element verbindet, hängt unter anderem von seiner Stellung im Periodensystem der Elemente ab. Denn in welcher Gruppe ein Element steht, verrät auch, wie viele Außenelektronen ein Atom dieses Elements besitzt. Geht ein Atom eine chemische Bindung ein, tauscht es mit seinem Partner Elektronen aus.
Austausch zum gegenseitigen Vorteil
Beim Kochsalz beispielsweise gibt das Natrium sein einziges auf der äußeren Schale kreisendes Elektron ab, das Chlor nimmt dieses auf. Dadurch bekommen beide Atome eine nun volle Außenschale – und damit einen stabilen Zustand. Welcher Partner in einer Verbindung wie viele Elektronen aufgenommen oder abgegeben hat, gibt die Oxidationszahl an. Beim Natriumchlorid wäre dies für Natrium +I, weil es ein Elektron abgegeben hat und damit eine positive Ladung trägt.
Bisher galt, dass die Oxidationszahl im positiven Bereich nur Werte von I bis VIII annehmen kann – so dachte man. Zu Molekülen mit der Oxidationsstufe VIII gehören beispielsweise Verbindungen des Edelgases Xenon, das acht Elektronen in seiner Außenschale trägt und diese dann komplett in die Bindung einbringt.
Iridiumoxid-Ion mit Oxidationsstufen-Rekord
Jetzt jedoch haben Guanjun Wang von der Fudan University in Schanghai und seine deutschen und kanadischen Kollegen eine chemische Verbindung mit einer bisher unbekannten und extrem hohen Oxidationsstufe entdeckt. Bei der Verbindung handelt es sich um ein Oxid des Übergangsmetalls Iridium. „Iridium hat neun Valenzelektronen und galt daher als das Element mit der größten Chance für noch höhere Oxidationsstufen“, erklären die Forscher.
Die chemische Verbindung IrO4 hat zunächst die „normale“ Oxidationszahl VIII – acht Elektronen gehen in die Bindung mit Sauerstoff ein, zwei mit jedem O-Atom. Doch den Forscher gelang es nun, durch spezielle Bedingungen auch ein neuntes Außenelektron des Iridiums zu entfernen, so dass das Iridium-Tetroxid-Kation [IrO4]+ entstand. „In diesem Ion ist Iridium im formellen Oxidationszustand von IX“, so die Forscher.
Messungen zeigen, dass dieser ionisierte Zustand des Iridium-Tetroxids sogar ziemlich stabil ist. Die neu entdeckte Iridiumverbindung gehört zur Gruppe der Metalloxide und könnte in Zukunft zum Beispiel als starkes Oxidationsmittel für chemische Reaktionen eingesetzt werden. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13795)
(FU Berlin / Nature, 27.10.2014 – NPO)