Ekel als Anzeiger für politische Einstellung? Das klingt verrückt, doch ein Experiment von US-Forschern belegt den verblüffenden Zusammenhang: Allein an der Hirnreaktion auf ekelerregende Bilder konnten sie mit 95-prozentiger Treffsicherheit die politische Einstellung ihrer Probanden vorhersagen. Konservative reagierten demnach deutlich stärker als Liberale. Warum das so ist, ist bisher allerdings noch unklar, so die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“.
Maden im Essen, verrottende Kadaver oder Schimmel im Bad – solche Anblicke lösen bei den meisten Menschen instinktiv Ekel aus. Der Ekel gehört neben Freude, Ärger, Trauer, Furcht und Überraschung zu den Basisgefühlen des Menschen. Das instinktive Zurückscheuen vor Verdorbenem oder Fäkalien bewahrte schon unsere Vorfahren davor, sich mit verdorbener Nahrung zu vergiften. Diese Reaktion war ein Überlebensvorteil und vererbte sich bis in unsere Zeit.
Ekelbilder im Hirnscanner
Wie stark diese instinktive Ekelreaktion ausfällt, ist dabei individuell unterschiedlich. Ob sich die Ekelreaktion mit bestimmten Persönlichkeits-Merkmalen in Verbindung bringen lässt, haben Woo-Young Ahn vom Virginia Institute of Technology und sein Kollegen nun in einem Experiment untersucht.
Dafür zeigten sie ihren 83 Probanden Fotos mit angenehmen, angsteinflößenden oder ekelerregenden Inhalten, während sie ihre Hirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) untersuchten. Anschließend beantworteten die Teilnehmer einen umfangreichen Fragenkatalog, mit dem die Forscher ihre politische Einstellung ermittelten. Wie erwartet, löste der Anblick ekelerregender Fotos die für die instinktive Ekelreaktion typischen Aktivitätsmuster im Gehirn der Probanden aus.
Stärkerer Ekel bei Konservativen
Doch beim Vergleich mit deren politische Einstellung zeigten sich überraschende Zusammenhänge: Je stärker die neuronale Ekelreaktion ausfiel, desto wahrscheinlicher handelte es sich bei dem Teilnehmer um eine eher konservativ eingestellte Person. Wie die Forscher betonen, lässt sich dies aber nicht an dem nach außen hin gezeigten und bewusst empfundenen Ekelgefühl ablesen, sondern allein an der Ekelreaktion im Gehirn.
Es war allein anhand der Hirnaktivität möglich, mit 95- bis 98-prozentiger Sicherheit vorherzusagen, wie ein Proband die Fragen bei dem anschließenden politischen Test beantwortete, wie die Forscher berichten. „Ekelhafte Bilder erzeugen neurale Reaktionen, die je nach politische Orientierung unterschiedlich sind“, erklärt Read Montague vom Virginia Institute of Technology. „Bemerkenswerterweise reichte schon die Reaktion auf ein einziges Ekelbild, um die politische Einstellung einer Person vorherzusagen.“ Das Überraschende daran: Die Bilder selbst waren absolut wertneutral, sie zeigten klassische Ekelmotive wie Schimmel, schmutzige Toiletten oder Kadaver.
Neurobiologie hat mehr Einfluss als man denkt
„Unsere Ergebnisse stützen die Annahme, dass emotionale Prozesse eng mit den komplexen und mehrdimensionalen Wertesystemen und Weltanschauungen des Menschen verknüpft sind“, erklären die Forscher. Auch bei vermeintlich völlig rationalen Ansichten und Entscheidungen könnten Gefühle eine weitaus größere Rolle spielen als wir es uns bewusst sind.
Schon länger nehmen Forscher an, dass auch die politische Haltung durch bestimmte, möglicherweise sogar angeborene Persönlichkeits-Merkmale beeinflusst und geprägt wird. Tatsächlich klingt es plausibel, dass beispielsweise von Natur aus eher misstrauische, risikoscheue Menschen eher zu konservativen, eher durch Tradition als durch Veränderungen geprägten Haltungen neigen. Warum allerdings konservative Menschen eine stärkere Ekelreaktion zeigen, können auch die Forscher bisher nicht erklären.
„Unsere Ergebnisse stimmen aber gut mit der Annahme überein, dass politische Ansichten auch mit der neurobiologischen Prägung zusammenhängen“, sagen Ahn und seine Kollegen. Daher könnte ein gewisser Hang zu einer konservativen oder liberalen Haltung durchaus angeboren sein – wenngleich natürlich die Lebensgeschichte ebenfalls einen starken Einfluss hat. Doch der biologische Faktor könnte ihrer Ansicht nach zumindest miterklären, warum beispielsweise Zwillinge oft zu ähnlichen politischen Einstellungen neigen, selbst wenn sie getrennt aufwachsen. (Current Biology, 2014; doi: 10.1016/j.cub.2014.09.050)
(Virginia Tech, 31.10.2014 – NPO)