Umstrittener Kreislauf-Schutz durch Rotwein: Die Wirkungsweise des Wein-Inhaltsstoffes Resveratrol haben Wissenschaftler nun auf molekularer Ebene aufgeklärt. Das Molekül ist schon lange ein Kandidat für die kreislaufschützenden Effekte von Rotwein, war aber lange umstritten und lieferte widersprüchliche Studienergebnisse. Nun ist der Wirkmechanismus bekannt – die Forscher sehen daher auch therapeutisches Potenzial für den Wirkstoff Resveratrol.
Ein gelegentliches Glas Rotwein schützt zahlreichen wissenschaftlichen Studien zufolge gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der verantwortliche Inhaltsstoff Resveratrol soll für diesen Effekt verantwortlich sein, allerdings ist dessen Wirkung auch umstritten: Als Nahrungszusatz zeigte sich das vermeintliche Wundermittel wirkungslos, und Multiple Sklerose kann sich unter Umständen sogar verschlimmern.
Aufklärung mit molekularer Angel
Solche Widersprüche entstanden zum großen Teil dadurch, dass für die Schutzwirkung durch Resveratrol bislang kein Mechanismus bekannt war. Diese Wissenslücke haben Wissenschaftler um Verena Dirsch von der Universität Wien nun geschlossen: In Kulturen menschlicher Zellen fanden sie heraus, dass Resveratrol an ein bestimmtes Protein namens KSRP bindet und es dadurch stabilisiert und aktiviert. Das aktive KSRP hemmt die Produktion von Signalstoffen, welche Entzündungen vermitteln.
Da das Ziel-Protein des Resveratrol zunächst unbekannt war, nutzten die Wissenschaftler einen Trick, um es aufzuspüren: „Wir wussten aus vorangegangenen Forschungsergebnissen, dass eine funktionelle Gruppe an dem Molekül für eine bestimmte Wirkung entbehrlich war“, erläutert Pharmazeutin Dirsch. „Das haben wir uns zunutze gemacht, um dort eine ‚Angel‘ zu befestigen.“ Der entscheidende Teil des Resveratrol-Moleküls befand sich dabei am Ende eines kettenförmigen Moleküls, welches sich fest verankern lässt. Damit konnten die Wissenschaftler dann das Protein KSRP aus einem Gemisch zellulärer Proteine herausfischen und identifizieren.
Resveratrol als Herz-Kreislauf-Medikament?
Ein Tierversuch mit Mäusen bestätigte, wie entscheidend die Bindung zwischen KSRP und Resveratrol ist: Fehlte das Protein in genmanipulierten Mäusen, so war auch Resveratrol wirkungslos. Andererseits traten in den Mäusen ohne KSRP besonders viele Entzündungsfaktoren auf.
Solche Faktoren können auch beim Menschen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen: Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall treten gehäuft bei chronisch entzündlichen Erkrankungen auf, beispielsweise bei Rheuma. Der Naturstoff Resveratrol hat daher den Forschern zufolge besonders bei solchen Beschwerden, die mit einer starken Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems einhergehen, ein großes therapeutisches Potential. (Nucleic Acids Research, 2014; doi: 10.1093/nar/gku1033)
(Universität Wien, 18.11.2014 – AKR)