In Sprudel oder Champagner steckt jede Menge spannender Physik. Was zum Beispiel beim Platzen der winzigen Bläschen an der Luft passiert, haben Forscher nun mit Hilfe von Hochgeschwindigkeits-Mikroaufnahmen und Modellen enträtselt. Eine überraschende Erkenntnis dabei: Je dickflüssiger das Getränk, desto schneller fliegen die ausgeschleuderten Tröpfchen.
Wenn man das Gesicht nah an ein Glas mit Sekt oder Sprudel hält, dann spürt man winzige hochgeschleuderte Tröpfchen auf der Haut. Sie entstehen, wenn die Sektbläschen an der Flüssigkeitsoberfläche zerplatzen. „Solche Tröpfchen, die aus aufplatzenden Bläschen entstehen, sind im Alltag allgegenwärtig“, erklärt Thomas Seon vom Institut d’Alembert im französischen Cachan. Sie finden sich im kleinen Maßstab in Getränken, aber im großem Maßstab auch an den Meeresküsten: Dort schleudert die Brandung ständig große Mengen Gischt in die Höhe.
Ein Krater in der Wasseroberfläche
Die Physik solcher dieser Tröpfchen wurde in den letzten 60 Jahren intensiv untersucht. Deshalb weiß man auch in groben Zügen, was dabei passiert: Wenn ein Bläschen aufsteigt und den dünnen Oberflächenfilm der Flüssigkeit durchbricht, löst sich als erstes die Kappe des Bläschens auf. Dadurch entsteht für kurze Zeit eine Art Krater in der Flüssigkeitsoberfläche. Dieser kollabiert sehr schnell und das erzeugt eine aufsteigende Fontäne, die beim sich Auflösen ein paar winzige Tröpfchen freisetzt.
Doch die Faktoren, die die Höhe, Schnelligkeit und Größe der so entstehenden Tröpfchen bestimmen, sind noch immer nicht vollständig aufgeklärt. „Vor allem die Abfolge der heftigen Ereignisse, die der Fontänenbildung unmittelbar vorausgehen und die Rolle, die die Eigenschaften der Flüssigkeit spielen, blieben bisher unklar“, erklärt Seon.
Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er daher untersucht, was in dem kurzen Moment geschieht, in dem aus dem Bläschen die instabile Senke geworden ist. Mit Hochgeschwindigkeits-Mikrokameras filmten sie dazu platzende Bläschen in verschiedenen Flüssigkeiten und beobachteten, welchen Einfluss die Viskosität der Flüssigkeit auf die Tröpfchenentstehung hat. Modellsimulationen halfen ihnen dabei, die physikalischen Vorgänge näher zu analysieren.
Kapillarkräfte statt Schwerkraft
Die Untersuchungen ergaben, dass der winzige Wasserkrater nicht wegen der Schwerkraft in sich zusammenfällt. Stattdessen sind Kapillarkräfte am Werk. Sie bringen die Wassermoleküle in den Wänden der Senke dazu, nach innen zu fließen und so den Krater auszugleichen. „Man kann sehen, wie Kapillarwellen sich entlang der Senke ausbreiten“, berichtet Seon. Der Kollaps dieser Wellen wiederum ist es, der die Fontäne erzeugt. Sie zerfällt dann in einen bis zehn kleine Tröpfchen, die als Aerosole eine kurze Zeit in der Luft schweben bleiben.
Und noch etwas Überraschendes enthüllten die Analysen: Je dicker eine Flüssigkeit ist, desto kleiner und schneller sind die beim Platzen der Bläschen entstehenden Tröpfchen. „Dieses Ergebnis widerspricht komplett unserer Intuition“, so Seon. Denn von der Logik her würde man annahmen, dass ein dünnflüssigeres Medium auch schneller fließt und daher schnellere Tröpfchen hervorbringt. Doch wie die Experimente zeigen, ist genau das Gegenteil der Fall.
Praktische Anwendung könnte Sekt schmackhafter machen
Diese überraschende Erkenntnis lässt sich nach Ansicht der Forscher künftig ganz praktisch nutzen – um die Aerosolbildung bei Flüssigkeiten zu kontrollieren, aber auch, um das Mundgefühl des Champagners zu beeinflussen: „Indem man die Viskosität des Champagners ganz leicht verändert, könnten wir die Diffusion des Aromas durch die Aerosole verbessern“, so Seon. In jedem Fall ist klar: Selbst in etwas so Alltäglichem wie Sprudelwasser, Bier oder Sekt steckt jede Menge spannender Physik drin. (American Physical Society 667th Annual Meeting), San Francisco)
(American Institute of Physics (AIP), 24.11.2014 – NPO)