Urzeitliche Falle: In einem Stück baltischen Bernstein haben Forscher eine echte Rarität entdeckt: die Klebfalle einer fleischfressenden Pflanze. Der 35 bis 47 Millionen Jahre alte Fund ist das erste Fossil einer pflanzlichen Insektenfalle. Und diese Pflanze hatte noch dazu eine Besonderheit: Sie fing Insekten mit klebrigen Tentakeln, überließ das Verdauen aber tierischen Helfern, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.
Normalerweise erledigen fleischfressende Pflanzen alles selbst: Sie fangen ihre Beute mit Fallen oder Kleb-Tentakeln ein, sondern Verdauungsenzyme ab und verdauen die Beute, um an die wertvollen Nährstoffe zu gelangen. Doch die heute nur in Südafrika vorkommende Taupflanze Roridula fällt aus dem Rahmen: Sie ernährt sich nicht direkt von den von ihr gefangenen Insekten, sondern kultiviert eine für beide Seiten vorteilhafte „Ess-Gemeinschaft“ mit einer Weichwanzenart.
Landet ein nichtsahnendes Insekt auf den Blättern der Taupflanze, bleibt es an den klebrigen Tentakeln hängen und wird bewegungsunfähig. Nun schlägt die Stunde der Wanzen: Weil Roridula keine Verdauungsenzyme produziert, lässt die Pflanze ihre Mitbewohner die Beute verzehren und so quasi die Verdauungsarbeit leisten. Sie profitiert dafür vom nährstoffreichen Kot der Wanzen.
Kleb-Tentakel im Bernstein
Zwei Blättchen eines urzeitlichen Vertreters dieser ungewöhnlichen Pflanze haben Eva-Maria Sadowski von der Universität Göttingen und ihre Kollegen nun in einem Stück Bernstein aus der Gegend von Kaliningrad in Russland entdeckt. In dem 35 bis 47 Millionen Jahre alten Bernstein fanden sich zwei schmale, knapp fünf Millimeter lange Blättchen, die dicht mit dünnen Drüsenhaaren besetzt waren.
Anhand der Ausprägung dieser Tentakel und weiterer morphologischer Details konnten die Forscher diesen Fund der Roridula-Pflanze zuordnen. „Dieses Fossil aus baltischem Bernstein ist unseres Wissens nach das älteste dokumentierte Fossil einer fleischfressenden Pflanzenfalle“, konstatieren die Forscher. Bisher beschränkte sich der fossile Nachweis fleischfressender Pflanzen auf Samen und Pollen von Sonnentaugewächsen.
Rätsel um den Fundort
Der Fundort dieser heute nur in Südafrika heimischen Pflanzengattung gibt allerdings einige Rätsel auf, wie die Wissenschaftler erklären. Bisher nahm man an, dass die Vorfahren von Roridula vor rund 90 Millionen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent entstanden waren, auf der Nordhalbkugel also nie vorkamen. Das Bernsteinfossil belegt aber nun eindeutig, dass diese fleischfressende Pflanze einst auch die nährstoffarmen Küstenböden im Baltikum besiedelte.
Demnach müssen die Vorfahren der heutigen Roridula-Pflanzen einst weiter verbreitet gewesen sein als man bisher annahm. Zumindest vor 35 bis 47 Millionen Jahren gab es sie offensichtlich noch auf der Nordhalbkugel. Warum sie von dort verschwanden, ist aber noch ungeklärt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1414777111)
(PNAS/ Universität Göttingen, 02.12.2014 – NPO)