Enthüllungen nach mehr als 500 Jahren: DNA-Vergleiche bestätigen, dass das 2012 in Leicester entdeckte Skelett tatsächlich der englische König Richard III. ist. Sie zeigen aber auch, dass es in der Verwandtschaft dieses Königs mindestens ein Kuckuckskind gab. Im Extremfall wären dadurch gleich mehrere englische Könige in Wirklichkeit illegitim gewesen, wie britische Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Richard III. ist der nach Heinrich VIII. wohl bekannteste und berüchtigtste König der englischen Geschichte. Und er ist einer der wenigen englischen Monarchen, deren Leichnam und Grab verschollen waren. 2012 jedoch entdeckten Archäologen in Leicester ein Skelett, dessen Merkmale gut mit den bekannten Merkmalen von Richard III. übereinstimmten. Es hatte das passende Alter und Größe, eine durch Wirbelsäulenverkrümmung schiefe Schulter und Spuren schwerer Verletzungen.
DNA heutiger Nachfahren über mütterliche und väterliche Linie
Jetzt haben Turi King von der University of Leicester und ihre Kollegen den letzten Beweis seiner Identität mit Hilfe von DNA-Analysen nachgeliefert. Sie entnahmen dafür zunächst Nachkommen von John of Gaunt, dem Großonkel von Richard III., DNA-Proben. Diese fünf Männer sind über die väterliche Linie über 24 bis 26 Generationen mit dem englischen König verwandt, daher müsste theoretisch die DNA ihres Y-Chromosoms mit der von Richard III. übereinstimmen.
Weitere Proben entnahmen die Forscher zwei Nachkommen von Anne of York, der Schwester von Richard III., die über die mütterliche Linie mit ihm verwandt waren. Hier suchten die Forscher nach Übereinstimmungen in der mitochondrialen DNA, die nur von Müttern an ihre Nachkommen weitergegeben werden.
Identität bestätigt: Er ist es
Der Vergleich ergab: Die mitochondriale DNA des Skeletts aus Leicester stammte tatsächlich mit dem der beiden Nachkommen von Anne of York überein. „Zusammen mit den archäologischen und anatomischen Hinweisen sind die Belege damit überwältigend, dass es sich hier tatsächlich um die Überreste des Königs Richard III. handelt“, sagt King. 529 Jahre nach seinem Tod auf dem Schlachtfeld sei damit der Fall des vermissten Königs endgültig gelöst. Das Skelett von Richard III. ist zudem die erste Person, die noch nach so langer Zeit anhand ihrer DNA identifiziert wurde.
Und noch etwas enthüllten die DNA-Analysen: Das Skelett hatte in seinem Erbgut Gene für blaue Augen und blonde Haare. Da alle Portraits von Richard III. erst Jahrzehnte nach seinem Tod angefertigt wurden, gibt dies erstmals einen Hinweis darauf, welches dieser Bilder ihm möglicherweise an ähnlichsten war.
Kuckuckskinder im Königshaus
Ein eher pikantes Details deckten dagegen die DNA-Vergleiche mit den Nachkommen der männlichen Linie auf: Bei keinem der fünf Nachkommen fanden sich Übereinstimmungen mit dem Y-Chromosom von Richard III. Das aber bedeutet: Irgendwann im Laufe der Generationen muss es mindestens ein oder vielleicht sogar mehrere Kuckuckskinder gegeben haben – Kinder, die dem Vater untergeschoben wurden.
Solche Fälle sind in der Geschichte alles andere als selten, wie die Wissenschaftler erklären, die geschätzte Rate solcher falscher Vaterschaften liegt auch heuten noch bei einem bis zwei Prozent. Historisch spannend ist dies im Falle von Richard III. deshalb, weil damit gleich mehrere englische Könige möglicherweise gar nicht königlichen Geblüts waren, wie die Forscher erklären.
Könige ohne Anspruch auf den Thron?
Gab es ein Kuckuckskind in den beiden Generationen vor Richard III., dann könnte das bedeuten, dass weder Richard III. noch sein Bruder Edward IV. legitime Nachkommen des Königs Edward III. waren – sie hätten damit keinerlei Anspruch auf den Thron gehabt. War dagegen Richards Großonkel John of Gaunt ein Kuckuckskind und kein Sohn von Edward III., dann hätten seine Nachkommen, die Könige Heinrich IV., V. und VI., ohne Berechtigung regiert.
Selbst die Dynastie der Tudors, zu denen auch die berühmte englische Königin Elizabeth I. gehörte, stünde dann auf wackeligen Füßen, so King und ihre Kollegen. Für sie allerdings ist an ihren Ergebnissen zunächst nur eines wichtig: Sie belegen, dass das unter dem Parkplatz von Leicester entdeckte Skelett tatsächlich Richard III. war – ob sein Anspruch auf die Krone nun legitim war oder nicht. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms6631)
(University of Leicester, 03.12.2014 – NPO)