Technik

RFID-Tags und Smartphone als Chemosensoren

Forscher funktionieren Alltagselektronik zu einem verblüffend genauen Sensornetzwerk um

Smartphone als chemische Nase: Zusammen mit umgebauten RFID-Tags kann es Chemikalien orten. © clipdealer

Ein ganz normales Smartphone könnte künftig dabei helfen, Chemikalien in der Umwelt nachzuweisen. Schlüssel dazu sind RFID-Chips, die US-Forscher auf simple Weise zu Chemosensoren umfunktioniert haben. Mit einer Handy-App können diese Minisensoren ausgelesen werden. Ein Praxistest beweist: Dieses simple Sensornetzwerk ist schnell, günstig und noch dazu erstaunlich genau, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

Ob bargeldloses Zahlen, Handytickets oder das kontaktfreie Übertragen von Daten – viele Smartphones und mobile Geräte sind heute bereits mit Hardware zur Near Field Communication (NFC) ausgestattet. Diese Bauteile ermöglichen es, RFID-Chips auszulesen oder mit anderen Geräten mit NFC-Hardware in Kontakt zu treten – auch ohne Mobilfunknetz oder WLAN.

Doch diese Technik kann noch mehr, wie Joseph Azzarelli und seine Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) nun demonstrieren. Denn mit ihrer Hilfe könnte man künftig schon kleinste Mengen an giftigen oder schädlichen Chemikalien detektieren. „Damit ließen sich Sprengstoffe oder chemische Kampfstoffe aufspüren, aber auch verdorbene Lebensmittel identifizieren und Umweltschadstoffe überwachen“, so die Forscher.

RFID-Tags „gepimpt“

Damit dies funktioniert, rüsteten die Wissenschaftler zunächst einige RFID-Chips zu Chemosensoren um. Dafür unterbrachen sie den elektronischen Schaltkreis in den Chips, indem sie mit einem Locher ein Teil der Leiterbahnen durchstanzten. Dann füllten sie diese Lücke erneut – aber diesmal mit verschiedenen auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen basierenden Materialien. Das Clou dabei: Diese Materialien werden nur dann leitfähig, wenn eine bestimmte Konzentration einer Chemikalie in ihrer Umgebung vorhanden ist.

Durch einen kleinen Umbau haben die Forscher RFID-Tags zu Mini-Sensoren umfunktioniert © Azzarelli et al./ PNAS

Für ihren Praxistest nutzten die Forscher für einige RFID-Chips ein Lückenfüller-Material, das auf Ammoniak und Wasserstoffperoxid reagiert und für andere eines, das auf Cyclohexanon reagiert – alle drei Chemikalien sind typische Bestandteile von Sprengstoffen, wie Azzarelli und seine Kollegen erklären. Auf diese Weise lässt sich am Funktionieren der RFID-Tags erkennen, ob diese Chemikalien präsent sind oder nicht. Um diese Information auszulesen, wandelten die Forscher eine bereits existierende Handy-App um.

Nachweis schon von geringsten Mengen

Für den eigentlichen Test setzten die Forscher im Umfeld der umgebauten RFID-Tags unterschiedliche Konzentrationen von Ammoniak (NH3), Wasserstoff-Peroxid-Dampf (H2O2) und von Cyclohexanon frei. Mit Hilfe ihrer umgebauten Smartphone-App lasen sie dann die RFID-Sensoren aus. Das Ergebnis: Mit Hilfe der Mini-Sensoren konnten die Forscher noch so winzige Mengen wie 4 parts per Million (ppm) Ammoniak quantitativ ermitteln.

Auch die beiden anderen Chemikalien ließen sich schon nach weniger als einer Minute nachweisen – wenn auch nicht in ganz so geringen Mengen. Wie die Forscher erklären, ist die Nachweisgrenze aber im Prinzip eine Frage der richtigen Kombination von chemoreaktiven Lückenfüller-Substanzen. Kombiniert man mehrere RFID-Tags mit verschiedenen Schwellenwerten, dann lässt sich sogar ermitteln, in welchem Konzentrationsbereich eine Chemikalie in der Luft vorliegt.

Einfach, schnell und günstig

„Wir haben damit einen kostengünstigen, einfachen, schnellen und modularen Ansatz entwickelt, um kommerziell erhältliche RFID-Tags in Chemosensoren umzuwandeln, die per Smartphone auslesbar sind“, erklären Azzarelli und seine Kollegen. Künftig könnte diese Technologie sogar noch erweitert werden, indem man das Auslesen der RFID-Chips zusätzlich mit der GPS-Ortung des Smartphones verbindet.

Dies eröffne ganz neue Anwendungsmöglichkeiten, sowohl in der vernetzten Umweltüberwachung als auch beim Nachweis von Chemikalien in Situationen, in denen bisherige Technologien zu groß oder zu teuer waren. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2014; doi: 10.1073/pnas.1415403111)

(PNAS, 09.12.2014 – NPO)

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