Alles andere als hektisch: Videospiele machen Spieler nicht zappelig und unkontrolliert – im Gegenteil. Geübte Spieler reagieren nicht nur schneller, sie machen auch weniger Fehler, haben deutsche Neurowissenschaftler herausgefunden. Die Forscher nehmen an, dass die schnellen Augenbewegungen durch regelmäßiges Spielen effizienter und kontrollierter stattfinden, wie sie in der Fachzeitschrift „Vision Research“ erläutern.
Videospiele sind besser als ihr Ruf: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Arbeitsgedächtnis, die Wahrnehmung von Kontrasten und die Verarbeitung sensorischer Informationen durch regelmäßiges Videospielen verbessern können. Selbst Vorteile bei minimal-invasiven Operationen, bei denen Chirurgen ihre Aktionen am Bildschirm kontrollieren müssen, wurden nachgewiesen.
„Viele Actionspiele für Computer oder Konsole stellen hohe Anforderungen an Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft, die auf Dauer bestimmte Fähigkeiten des Gehirns trainieren“, sagt David Mack von der Universität Tübingen. Mack hat gemeinsam mit seinem Kollegen Uwe Ilg untersucht, wie sich Computerspiele auf das Zusammenspiel zwischen Gehirn und Augenbewegungen auswirken.
Fliegende Punkte
Für ihre Studie saßen 67 junge Versuchspersonen vor einem Bildschirm, auf dem in kurzen Abständen Punkte aufleuchteten. In einem ersten Test mussten die Probanden so schnell wie möglich zwei Punkten mit dem Blick folgen. Dabei führen sie in der Regel ruckartige Bewegungen aus, sogenannte Sakkaden. In einem zweiten Test sollten die Probanden beim Aufleuchten eines Punktes absichtlich in die entgegengesetzte Richtung schauen. Die Forscher bezeichnen dies als Anti-Sakkaden.
Etwa die Hälfte der jungen Erwachsenen gab an, täglich mehr als eine Stunde mit Videospielen zu verbringen. Die Forscher verglichen nun, ob und wie sich Augenbewegungen und Reaktionszeiten dieser Videospieler von denen Gleichaltriger ohne Computerspiel-Erfahrung unterschieden.
Schnellere Reaktionen, aber nicht mehr Fehler
Das Ergebnis: Erfahrene Videospieler reagierten in beiden Tests schneller als die Kontrollgruppe mit weniger Spielerfahrung an Rechner oder Konsole. „Die Videospieler benötigten weniger Zeit bis zum Beginn der Sakkaden, und auch die Geschwindigkeit ihrer Augenbewegungen war eindeutig höher, als bei den weniger erfahrenen Spielern“, beschreibt Mack. „Auch mit dem anspruchsvolleren Test der Anti-Sakkaden kamen sie besser zurecht.“ Dies deutet den Forschern zufolge auf ein effizienteres visuell-motorisches System bei den Videospielern hin: Sie seien aufmerksamer, wacher und deshalb reaktionsschneller.
Das Experiment der Neurowissenschaftler räumt darüber hinaus auch mit einem Vorurteil auf: „Viele Menschen denken, dass Videospiele Kinder hektisch und zappelig machen“, so Mack. Nach dieser verbreiteten Ansicht sollten die Spieler ihre Impulse weniger gut kontrollieren können und daher häufiger Fehler machen. „Unsere Ergebnisse zeigen das Gegenteil: Obwohl Videospieler deutlich schneller reagierten, machten sie nicht mehr Fehler als Nicht-Spieler“, sagt der Forscher.
Der Konsum von Videospielen scheint demnach mit einer Effizienzsteigerung des visuell-motorischen Systems einherzugehen, ohne sich dabei negativ auf die Selbstkontrolle auszuwirken. Für viele Eltern von begeistert an Computer oder Konsole spielenden Jugendlichen dürfte dies eine beruhigende Nachricht sein. (Vision Research, 2014; doi: 10.1016/j.visres.2014.07.010)
(Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH), 23.12.2014 – AKR)