Von wegen „Dunkeldeutschland“: Der Osten Deutschlands leuchtet nachts heller als der Westen. Die Lichtemissionen pro Einwohner sind in ostdeutschen Städten deutlich höher, wie Satellitendaten und aus dem Weltraum geschossene Fotos zeigen. Insgesamt produzieren deutsche Städte jedoch viel weniger Lichtverschmutzung als US-amerikanische Städte vergleichbarer Größe.
Nachts leuchten unsere Großstädte auf: Straßenlaternen, Werbetafeln und Scheinwerfer verwandeln Ballungszentren in ein wahres Lichtermeer. Für ganze Ökosysteme wie auch für astronomische Beobachtungen und sogar die Gesundheit ist das dabei entstehende Streulicht ein großes Problem. Die sogenannte Lichtverschmutzung ist jedoch nicht überall auf der Welt gleich: Von Kontinent zu Kontinent und selbst innerhalb Deutschlands sind deutliche regionale Unterschiede erkennbar.
Höhere Auflösung dank Satellitendaten
Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungszentrum (GFZ) in Potsdam und seine Kollegen haben die Lichtquellen und deren Intensitäten über verschiedenen Städten genauer untersucht. Dabei stützen sich die Wissenschaftler auf Daten aus dem Weltraum: Von Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS aufgenommene Bilder zeigen eindrucksvoll, wie verschiedene Metropolen der Welt in der Nacht erstrahlen. Außerdem verwenden die Forscher satellitenbasierte Strahlungsmessungen im sichtbaren Bereich des Lichtspektrums.
Diese Daten ermöglichen es erstmals, Quellen des in den Weltraum abgestrahlten Lichtes konkret zu bestimmen. Zuvor konnten die Forscher lediglich grobe Flächenraster mit mehreren Kilometern Durchmesser miteinander vergleichen, die neueren Satellitenbilder haben dagegen eine Auflösung von rund 750 Metern.
Im Osten gelb, im Westen weiß
Über Deutschland zeigt sich ein Unterschied zwischen West und Ost: Auf die Einwohnerzahl der Städte gerechnet, sind ostdeutsche Städte deutlich heller. „Was genau die Ursache dieses Unterschieds ist, lässt sich noch nicht mit Gewissheit sagen“, so Studienleiter Kyba, „da sind noch weitere Forschungen an Städten mit vergleichbarer Größe und Bevölkerungszahl in West und Ost notwendig.“
Die im Schnitt geringere Einwohnerzahl ostdeutscher Städte spiele offenbar nur eine kleine Rolle, so die Forscher. Wichtigere Faktoren seien Unterschiede zwischen nach oben geschlossenen oder in jede Richtung strahlenden Lampen, oder auch die Höhe oder das Fehlen umgebender Gebäude und die Art des eingesetzten Lichts. In Berlin ist die ehemalige Teilung zwischen Ost und West auch an der Lichtfarbe auf dem Luftbild erkennbar: Im Westteil der Stadt leuchten vor allem weiße Quecksilber- oder auch LED-Lampen, in Ostberlin bestehen viele Straßenbeleuchtungen noch aus gelblichen Natriumdampflampen.
Innenstädte überraschenderweise dunkler
Einen überraschenden Trend haben ost- und westdeutsche Städte jedoch gemeinsam: Mit zunehmender Bevölkerungsdichte scheint die Stärke der Lichtemission pro Einwohner abzunehmen. In den USA und einigen anderen europäischen Großstäden ist dies genau umgekehrt: Je mehr Einwohner pro Quadratkilometer, umso heller erstrahlen die Stadtzentren.
Letzteres erscheint logisch, denn besonders die belebten Innenstädte sind in Industrienationen stark beleuchtet, aber auch Orte öffentlichen Lebens wie große Sportstadien. In Entwicklungsländern sind dagegen Flug- und Seehäfen die hellsten Flecken auf dem nächtlichen Stadtplan.
Woher aber stammt der große Unterschied zwischen den Industriestaaten Deutschland und den USA? Einerseits könnten schlicht unterschiedliche Lampen verantwortlich sein: Verschiedene Lichtspektren werden vom Satelliten unterschiedlich stark wahrgenommen. Die Wissenschaftler halten solche systematischen Abweichungen jedoch für sehr unwahrscheinlich.
Wahrscheinlicher sind architektonische Ursachen: In den USA sind Straßenzüge oft breiter und stärker ausgeleuchtet. Hinzu kommt vor allem in jüngeren US-amerikanischen Stadteilen ein geringer Baumbestand, wodurch weniger Licht abgeschirmt wird. Diese Stadtviertel sind außerdem oft mit modernsten und damit hellsten Beleuchtungsanlagen bestückt, während in Deutschland vielerorts die Straßenlaternen älter als 20 Jahre sind.
Lichtemission zeigt hohen Energieverbrauch
Die Studie hat durchaus auch praktische Anwendungen: Karten mit Angaben zur Lichtemission zeigen, an welchen Orten die Lichtverschmutzung und damit auch der Energieverbrauch besonders hoch sind, und wo sich Energie einsparen lässt.
„Künstliches Licht macht einen großen Anteil am gesamten nächtlichen Energieverbrauch aus“, erklärt Koautor Franz Hölker vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. „Zu zeigen, wie man Licht effektiver einsetzen kann, birgt ein großes Energieeinsparpotenzial und kann dazu beitragen, Kosten zu reduzieren und die Umwelt weniger zu belasten.“ (Remote Sensing, 2015; doi: 10.3390/rs70100001)
(GFZ, 05.01.2015 – AKR)