Sonnensystem

Sonnensystem: Planeten jenseits von Pluto?

Bisher unentdeckte Supererden sollen seltsame Bahnen transneptunischer Objekte erklären

Gibt es noch unbekannte Planeten weit außen in unserem Sonnensystem? © NASA/JPL-Caltech

Es klingt verrückt: Nach Ansicht einiger Astronomen könnte unser Sonnensystem zwei bisher unbekannte Supererden beherbergen. Sie sollen ihre Bahn weit außerhalb des Pluto ziehen und daher bisher verborgen geblieben sein. Ihr Schwerkraft-Einfluss könnte aber erklären, warum viele transneptunische Objekte andere Bahnen ziehen als erwartet, so die Forscher.

Gibt es in unserem Sonnensystem noch unentdeckte Planeten? „Die Antwort darauf ist Nein und Ja zugleich“, erklären Carlos de la Fuente Marcos von der Complutense Universität Madrid und seine Kollegen. Denn es sei zwar unglaubhaft, dass ein großer Planet wie Jupiter oder Saturn sich irgendwo jenseits des Pluto versteckt und bisher übersehen wurde. Anders sieht es dagegen nach Ansicht der Astronomen mit etwas kleineren Planeten aus:

Ihrer Ansicht nach spricht einiges dafür, dass sich eine, vielleicht sogar zwei Supererden in der Oortschen Wolke verstecken könnte. Auslöser für solche Spekulationen war im Jahr 2012 die Entdeckung des Zwergplaneten 2012 VP113, einem rund 450 Kilometer großen Brocken, der die Sonne in einem Abstand von rund 80 astronomischen Einheiten (AU) umkreist.

Spurensuche in der Oortschen Wolke

Das Flugverhalten dieses Zwergplaneten deutet nach Ansicht seiner Entdecker Chad Trujillo und Scott Sheppard darauf hin, dass seine Bahn von einem weiter außen liegenden Objekt mit größerer Schwerkraft gestört wird. „Dieses soll sich in rund 250 AU von der Sonne befinden und könnte die bis zu zehnfache Masse der Erde besitzen“, so de la Fuente Marcos. Er und seine Kollegen haben diese Hypothese nun überprüft, indem sie die Flugbahnen von extremen transneptunischen Objekten (ETNO) genauer analysiert haben.

Das Sonnensystem und die Oortsche Wolke (Größen und Abstände nicht maßstabsgetreu) © gemeinfrei

Die Astrophysiker berücksichtigten dabei Himmelskörper, deren sonnennächster Punkt weiter als 30 AU von der Sonne entfernt liegt und die eine Bahn-Halbachse von mehr als 150 AU besitzen. Deren Bahndaten analysierten sie mit Hilfe eines Computermodells, in dem sie 20 Millionen Objekte einmal ungestört und einmal von Schwerkrafteinflüssen gestört kreisen ließen. Der sogenannte Kozai-Effekt beschreibt dabei physikalisch, wie sich die Orbits durch diesen Störeinfluss verändern. Zum anderen werteten sie Beobachtungsdaten von 13 bekannten transneptunischen Objekten aus und suchten dabei nach Ähnlichkeiten zum Modell.

Störende Schwerkrafteinflüsse

Dabei entdeckten die Forscher einige Auffälligkeiten: Bei unerwartet vielen Objekten betrug die Neigung der Bahn gegenüber der Ebene des Sonnensystems rund 20°, zudem lagen viele Winkel der sonnennächste Punkte dieser Himmelskörper zur Ekliptik nicht bei 0° und 180°, wie es bei einer ungestörten Bahn zu erwarten wäre. Einige transneptunische Objekte folgen zudem sehr ähnlichen Bahnen, die durch eine Resonanz zur Bahn eines noch unbekannten größeren Objekts entstanden sein könnten, wie die Forscher berichten.

„Dieser Überschuss an Objekten mit unerwarteten Orbitalparametern lässt uns glauben, dass unsichtbare Kräfte die Verteilung der transneptunischen Objekte verändern“, sagt de la Fuente Marcos. „Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist, dass es noch unbekannte Planeten jenseits von Neptun und Pluto geben könnte.“ Man fragt sich zwar, wie Objekte dieser Größe und noch dazu quasi vor unserer Haustür bisher einer Entdeckung entgehen konnten. Doch die Forscher halten dies offenbar für durchaus nicht ausgeschlossen.

Zwei Supererden jenseits von Pluto?

Noch ist unklar, um wie viele unbekannte Planeten es sich handeln könnte. De la Fuente Marcos und seine Kollegen halten aber zwei Supererden für durchaus möglich – eine bei rund 200 AU, eine zweite bei 250 AU. Denn im Bereich zwischen 200 und 300 AU finden sich ihren Berechnungen nach überraschend wenige transneptunische Objekte. Dieser Bereich könnte daher durch die unsichtbaren Planeten freigefegt worden sein, mutmaßen die Forscher.

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Lange Zeit galt die Entstehung größerer Planeten so weit von einem Zentralstern entfernt als generell unmöglich. Denn der Theorie nach reicht die Dichte der Urwolke in dieser Entfernung nicht mehr aus, um genügend Material für größere Planeten zu liefern. Doch erst kürzlich haben Astronomen eine planetenbildende Akkretionsscheibe um den 450 Lichtjahre entfernten Stern HL Tauri entdeckt, die einen Radius von 2.000 AU besitzt. Dennoch deuten dunkle Streifen in der Scheibe darauf hin, dass auch in ihrem Außenbereichen noch Planeten entstehen.

Skepsis ist angebracht

Dennoch: Auch die Astronomen räumen ein, dass ihre Schlussfolgerungen bisher noch sehr spekulativ sind. Denn neben ihrem Modell beruht ihre Berechnung nur auf den konkreten Beobachtungsdaten von 13 transneptunischen Objekten. Sie kündigen jedoch bereits an, ihre Probe in den kommenden Monaten zu erweitern. „Sollten sich unsere Ergebnisse bestätigen, wäre das für die Astronomie wirklich revolutionär“, so de la Fuente Marcos. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society Letters, in press; doi: 10.1093/mnrasl/slu084)

(Plataforma SINC, 16.01.2015 – NPO)

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