Physik

Geheimnis der tanzenden Tropfen gelüftet

Verblüffend lebendiges Verhalten lässt sich durch zwei physikalische Prozesse erklären

Skurril: Farbige Tropfen tanzen und bewegen sich wie lebendige Wesen © Nate Cira/ Adrien Benusiglio/ Manu Prakash

Da staunten selbst die Forscher: Unter bestimmten Bedingungen verhalten sich Tropfen, als wären sie lebendig: Sie jagen sich gegenseitig, ordnen sich zu Mustern oder wechseln so lange die Position, bis sie einen Artgenossen gefunden haben. Wie dieser geisterhafte Tanz zustande kommt und wie man ihn beeinflussen kann, haben US-Forscher nun im Fachmagazin „Nature“ enthüllt.

Skurril: Farbige Tropfen tanzen und bewegen sich wie lebendige Wesen© Nate Cira/ Adrien Benusiglio/ Manu Prakash

Alles begann mit einem scheinbar simplen Experiment: Nate Cira, heute an der Stanford University, gab ein paar Tropfen Lebensmittelfarbe auf einen Objektträger, weil er sie untersuchen wollte. Doch bevor er dazu kam, passierte etwas Seltsames: Wie von Geisterhand angetrieben begannen die Tropfe sich zu bewegen. Einige näherten sich einander an bis sie verschmolzen, andere wanderten auf dem Glas umher wie kleine Amöben.

„Diese Tropfen spüren sich gegenseitig und interagieren – fast wie leben Zellen“, beschreibt Ciras Kollege Manu Prakash das Phänomen. Aber warum? Was steckte hinter diesem Verhalten? Die Forscher vermuteten, dass ein physikalisches Phänomen dahinter steckt, das eng mit der Zusammensetzung der Tropfen verknüpft ist. Für ihre Experimente wählten sie daher zwei der Hauptkomponenten der Lebensmittelfarbe aus: Wasser und Propylenglykol.

Verdunstung und Oberflächenspannung sind der Schlüssel

Diese beiden Flüssigkeiten unterschieden sich in zwei wichtigen Eigenschaften voneinander: Wasser verdunstet leichter als Propylenglykol und hat zudem eine höhere Oberflächenspannung. Und genau diese Unterschiede sind es, die einen aus beiden Flüssigkeiten gemischten Tropfen zum Tanzen bringen, wie die Forscher erklären.

Liegt der Tropfen auf dem Glas, verdunsten zuerst die Wassermoleküle an den Tropfenrändern. Dort sammelt sich dadurch vermehrt weniger flüchtiges Propylenglykol an, im oberen Teil des Tropfens dominiert Wasser. Dieses zieht nun mit seiner größeren Oberflächenspannung den Tropfen stärker zusammen. Beide Prozesse zusammen erzeugen im Inneren des Tropfens eine Turbulenz, der den Tropfen zum Rollen bringen kann, wie die Forscher erklären.

Wasserdampf als Nähesensor

Was aber sorgt für die geheimnisvolle Anziehung der Tropfen untereinander? Auch hier gibt es simple physikalische Erklärung, wie Cira und seine Kollegen herausfanden. Die Verdunstung von Wasser erzeugt einen Wasserdampfgradienten in deren Umgebung. „Zwei benachbarte Tropfen liegen daher jeder in dem Gradienten, den der Nachbar erzeugt“, erklären die Forscher.

Das jedoch beeinflusst die Verdunstung: Auf der Tropfenseite, auf der die Luft feuchter ist, verdunstet weniger Wasser. Dadurch wiederum sammelt sich dort mehr Wasser an und zieht den Tropfen durch die hohe Oberflächenspannung zusammen – der Tropfen wird asymmetrisch und beginnt, auf den Nachbarn zuzurollen.

Farborgel: Jeder hinzugefügte Tropfen rollt so lange weiter, bis er am Kasten mit seiner Farbe ankommt. © Nate Cira/ Adrien Benusiglio/ Manu Prakash

Selbst-Organisation nach Tropfenart

Wie die Experimente zeigten, verschmelzen die Tropfen aber nur dann, wenn sie gleiche Mischungsverhältnisse von Wasser und Propylenglykol enthalten. Um die Konzentrationen auseinander zu halten, färbten die Forscher die Tropfen je nach Mischung unterschiedlich ein. Dann bastelten sie eine Art Mischungsorgel: Sie setzen Tropfen verschiedener Konzentration in kleine offene Kästchen, die sie mit wasserabweisendem Stift auf das Glas gemalt hatten.

Gaben sie dann an beliebiger Stelle einen weiteren Tropfen einer Farbe hinzu, rollte er solange an diesen Tropfenkästen entlang, bis er zu dem seiner Farbe und damit Konzentration kam und verschmolz mit ihm – Es entstand eine sich selbst ordnende Farbskala.

Wie die Forscher betonen, sind diese Experimente mehr als nur Spielereien. Sie könnte auch ganz praktische Anwendungen haben. So könnte das Wissen um das Tropfenverhalten dazu beitragen, selbstreinigende Oberflächen effektiver zu machen. Auch für Beschichtungen und für die Reinigung von Halbleiterflächen könnte es hilfreich sein. „Wenn die Not die Mutter der Erfindung ist, dann ist Neugier der Vater“, kommentiert Prakash. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature14272)

(Nature/ Stanford School of Engineering, 13.03.2015 – NPO)

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