Fall einer Megacity: Teotihuacan, vor rund 2.000 Jahren eine der größten Städte der Welt, zerbrach vermutlich an inneren Konflikten. Ursache dafür waren offenbar wachsende Spannungen zwischen der herrschenden Elite und den ehrgeizigen Anführern der einzelnen Stadtviertel, wie Forscher herausfanden. Diese Zwischeneliten förderten möglicherweise auch Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in der multiethnischen Stadt.
Heute ist Teotihuacan ein Ruine in der Nähe von Mexico Stadt, aber kurz nach Christi Geburt lag hier eine der größten Städte der Welt: Bis zu 125.000 Einwohner hatte das Zentrum dieser bis heute rätselhaften indianischen Hochkultur. Denn schriftliche Zeugnisse gibt es nicht. Bekannt ist aber, dass gleich zwei Vulkanausbrüche die Stadt groß machten: Eine Eruption des nahegelegenen Popocatepetl im ersten Jahrhundert führte zur Gründung der Stadt, ein Ausbruch des Xitle-Vulkans im Süden brachte im Jahr 320 weitere Flüchtlinge nach Teotihuacan.
Multiethnischer Schmelztiegel
„Dadurch wurde die Stadt zu einer multiethnischen, inklusiven Gesellschaft, in der Menschen aus anderen Regionen Mittelamerikas als qualifizierte Handwerker arbeiteten und lebten“, erklärt Linda Manzanilla von der Autonomen National-Universität Mexiko. Die Zuwanderer stellten unter anderem begehrte Luxusgüter für die Elite der Stadt her, darunter Kleidung und Edelstein-Schmuck, sie wurden aber auch als Hausbauer, Musiker und Krieger geschätzt. „Diese Gesellschaft profitierte von dem Wissen, dem technischen Können und der Erfahrung, die die Einwanderer in die Stadt brachten“, so Manzanilla.
Wie das Zusammenleben in der Megacity damals ablief und welche Rolle die multiethnische Gesellschaft für Blüte und Niedergang von Teotihuacan spielte, hat Manzanilla gemeinsam mit ihrem Team durch Ausgrabungen, Isotopenanalysen von Knochen der gefundenen Skelette sowie DNA-Analysen untersucht. Sie konzentrierte sich dabei vor allem auf Teopancazco, eines der Stadtviertel von Teotihuacan.
Ehrgeizige Viertelsführer
Aus den Daten geht hervor, dass die Bevölkerung von Teotihuacan damals zwei Formen gesellschaftlicher Organisation besaß: Es gab eine herrschende Elite, die den Fernhandel kontrollierte und ein exklusives Netzwerk von Reichen bildete und es gab die weitgehend autonom organisierten Stadtviertel, in denen das Handwerk dominierte.
Oft arbeiteten dort vor allem Zuwanderer unter eher ärmlichen und schlechten Bedingungen – mit einigen Ausnahmen. „Einige der Handwerker erhielten Status und vielleicht auch wirtschaftliche Macht“, wie Manzanilla berichtet. Sie vermutet, dass jedes Viertel von einer eigenen intermediären Elite angeführt wurde – wohlhabenden Zwischenhändlern und Handwerksmeistern, die nach mehr Einfluss strebten.
Innere Konflikte
Doch genau dies könnte auf Dauer zu Konflikten geführt haben: Denn die Anführer der Viertel wollten mehr Macht und mehr Geld und trieben dafür auch den Wettbewerb zwischen sich voran. „Dieser Wettbewerb führte zu einer hochkomplexen Gesellschaft in Teotihuacan – aber einer mit inhärenten Konflikten“, so Manzanilla. Denn der Ehrgeiz dieser Zwischeneliten könnte die Menschen auch dazu angestiftet haben, sich gegeneinander und gegen die Herrschenden aufzulehnen.
Hinweise auf innere Unruhen gibt es tatsächlich: Um 750 wurden zentrale Verwaltungsgebäude und rituelle Stätten entlang einer der Hauptstraßen von Teotihuacan niedergebrannt, Skulpturen in Palästen wurden umgestürzt. „Es gibt aber keine Anzeichen für eine Invasion“, so Manzanilla. „Wir interpretieren dies daher als eine Revolte gegen die herrschende Elite, vielleicht als Reaktion darauf, dass diese zu spät eingriffen, um den ehrgeizigen Strategien der Zwischeneliten Einhalt zu gebieten.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1419881112)
(PNAS, 17.03.2015 – NPO)