Staubiger Regen: Die ungewöhnlich dunkle Farbe des Merkur gibt Planetenforschern schon lange Rätsel auf. Jetzt könnten US-Forscher eine Erklärung gefunden haben: Kohlenstoffhaltige Mikrometeoriten könnte verantwortlich sein. Weil in Sonnennähe besonders viele Kometen ausgasen und zerbrechen, regnet es auf dem Merkur besonders viel kosmischen Staub, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Der Merkur ist gleich in mehrerer Hinsicht ungewöhnlich: Der innerste Planet unseres Sonnensystems hat einen extrem großen Kern, er ist im Laufe seiner Existenz geschrumpft und seine Oberfläche ist ungewöhnlich dunkel. Im Vergleich zum Erdmond, der ebenfalls keine Atmosphäre besitzt und ähnlich zusammengesetzt ist, erscheinen die Krater und Ebenen des innersten Planeten geradezu düster.
Eisen kann es nicht erklären
Eine dunkle Oberfläche kann bei luftlosen Himmelskörpern auf die Verwitterung von Eisenpartikeln im Regolith zurückgehen. Der Mars hat von diesem „Rost“ seine rote Farbe. Doch Messungen der NASA-Sonde MESSENGER zeigen, dass die Merkuroberfläche viel zu wenig Eisen enthält, um seine dunkle Farbe zu erklären. „Die Daten sprechen für maximal zwei bis drei Prozent Eisenoxid – das lässt sich nur schwer mit der niedrigen Reflexivität der Planetenoberfläche vereinbaren“, erklären Megan Bruck Syal vom Lawrence Livermore National Laboratory und ihre Kollegen.
Was aber macht den Merkur dann so dunkel? Eine weitere Möglichkeit wären kohlenstoffhaltige organische Ablagerungen, wie sie Einschläge von Asteroiden oder Kometen hinterlassen können. Ihnen verdankt wahrscheinlich der Saturnmond Iapetus sein seltsam zweigeteiltes Aussehen: Seine Vorderseite ist extrem dunkel, seine Rückseite dagegen hellweiß. Auch viele auf der Erde gefundenen Mikrometeoriten sind reich an Kohlenstoffverbindungen.
Kometenstaub als Dunkelmacher?
Syal und ihre Kollegen haben daher untersucht, ob der Merkur seine dunkle Oberfläche den Einschlägen von Mikrometeoriten verdanken könnte. Diese winzigen Bröckchen sind oft besonders reich an Kohlenstoff. So enthalten in der Antarktis gefundene Mikrometeoriten typischerweise 35 bis 55 Gewichtsprozent Kohlenstoff, die Stardust-Mission der NASA ergab für Kometenstaub Werte von 1 bis 37 Gewichtsprozent, wie die Forscher erklären. Wenn der Merkur entsprechend viele Treffer solcher Minibrocken erhalten hat, dann könnte dies seine dunkle Färbung erklären.
Und tatsächlich spricht das Modell der Forscher für reichlich Nachschub von dunklem Meteoritenstaub: „Wir schätzen, dass auf dem Merkur rund 50 Mal mehr kohlenstoffreiche Mikrometeoriten pro Flächeneinheit einschlagen als auf dem Mond“, berichten die Wissenschaftler. Ihren Schätzungen nach macht der von den Mikrometeoriten importierte Kohlenstoff rund drei bis sechs Gewichtsprozent der Oberfläche aus. „An einigen Stellen könnten die Beiträge externen Materials sogar 35 Prozent übertreffen“, so die Forscher.
Schuld ist die Sonnennähe
Der Grund liegt in der Sonnennähe des innersten Planeten: Kometen, die sich ihr nähern, gasen stark aus und häufig zerbrechen ihre Kerne auch unter der Hitze. Deshalb kreisen auf Höhe des Merkur mehr Staub und Trümmer dieser Kometen als weiter außen im Sonnensystem. Entsprechend viele Mikrometeoriten schlagen auf dem Planeten ein. Wie die Berechnungen zeigen, haben diese Einschläge in den letzten 200 Millionen Jahren die gesamte Oberfläche des Merkur bis zu 50 Zentimeter tief aufgewühlt und durchmischt.
Ob der von den Mikrometeoriten eingetragene Kohlenstoff ausreicht, um den Merkur so abzudunkeln, testeten Syal und ihre Kollegen in einem Impakt-Experiment. Bei diesem schossen sie in einer Vakuumkammer Projektile unter hoher Geschwindigkeit auf eine Regolithmischung. Dieser Mischung wurde in einem Teil der Versuche Zucker zugesetzt – als Analog für organische kohlenstoffhaltige Verbindungen. Beim Einschlag des Projektils entstand ausreichend Hitze, um die Mischung lokal anzuschmelzen.
„Die Beimischung von Kohlenstoff senkte die Reflexivität auf Werte, die den dunkelten Terrains auf dem Merkur entsprachen“, berichten die Forscher. Auch die spektralen Daten der Impaktrelikte stimmten gut mit denen der Merkuroberfläche überein. Nach Ansicht von Syal und ihren Kollegen spricht daher einiges dafür, dass das ständige Bombardement durch Mikrometeoriten dem Merkur seine dunkle Farbe verliehen hat. (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo2397)
(Nature, 31.03.2015 – NPO)