Zu viel oder zu wenig? Wie gut ein Student im Mathekurs abschneidet, hängt auch davon ab, wieviel Testosteron er vor seiner Geburt abbekommen hat. Während der Entwicklung des Gehirns kommt es nämlich auf genau den richtigen Spiegel dieses Geschlechtshormons an, wie spanische Wissenschaftler herausgefunden haben. Ihre Studie widerlegt außerdem das Vorurteil, Frauen seien grundsätzlich schlechter in Mathe.
Das Geschlechtshormon Testosteron beeinflusst im Verlauf der Entwicklung wesentlich mehr als nur die Sexualität eines Menschen: Es sorgt unter anderem auch für Bewegungsdrang und bringt mehr Linkshänder hervor. Auch auf das Verhalten wirkt es sich aus – es macht Männer offenbar ehrlicher und höflicher.
Fingerlängen spiegeln Testosteron wider
Ob ein Mensch als Kind im Mutterleib viel oder wenig Testosteron abbekommen hat, lässt sich an den Fingern erkennen: Ein hoher Testosteron-Spiegel lässt den Ringfinger im Verhältnis zum Zeigefinger länger wachsen. Dieses sogenannte 2D:4D-Verhältnis gilt daher seit einiger Zeit als anerkannter Marker für den Einfluss des Geschlechshormons.
Anhand dieses erkennbaren Merkmals haben Wissenschaftler um Ángeles Sánchez von der Universität Granada nun einen weiteren Zusammenhang erkannt: Sie verglichen das 2D:4D-Verhältnis von 516 Studenten mit deren Resultaten in einem Mathematik-Kurs für Erstsemester.
Auf den richtigen Wert kommt es an
Dabei zeigte sich deutlich, wie wichtig der richtige Testosteron-Spiegel für die Entwicklung des Gehirns ist. Es gilt nämlich keinesfalls die Regel „Viel hilft viel“: Sowohl Studenten mit hohem 2D:4D-Wert als auch solche mit sehr niedrigen Werten schnitten in Mathe am schlechtesten ab. Die besten Noten bekamen Studenten mit mittlerem 2D:4D-Verhältnis. Das Ergebnis weist darauf hin, dass auch genetische und biologische Faktoren eine wichtige Rolle für den akademischen Erfolg spielen, so die Forscher.
Das Geschlechtshormon zeigte jedoch keinen „typisch männlichen“ Effekt – die Wissenschaftler beobachteten keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Und interessanterweise zeigte sich die Wirkung des Hormons nur in Mathe: „Wir fanden keinen Zusammenhang zwischen Finger-Verhältnis und erzielten Noten in anderen Erstsemester-Kursen“, erklärt Erstautor Sanchez. (Learning and Individual Differences, 2015; doi: 10.1016/j.lindif.2014.10.001)
(Universidad de Granada, 10.04.2015 – AKR)