Medizintechnik

Smartphone-Mikroskop entdeckt Blutparasiten

Diagnose zur Behandlung von Flussblindheit lässt sich auf wenige Minuten verkürzen

Der Fadenwurm Loa loa kann bei der Behandlung von Flussblindheit tödliche Nebenwirkungen verursachen. © CDC / Lee Moore

Smartphone als Diagnosegerät: Eine aufgesteckte Linse und eine spezielle App reichen, um per Smartphone Blutproben auf Parasitenlarven zu untersuchen. Mit diesem von US-Forschern entwickelten Schnelltest sind lebensrettende Diagnosen in wenigen Minuten möglich. Das Gerät ist besonders in Entwicklungsländern ein großer Fortschritt im Kampf gegen gefährliche Parasiten, berichten die Forscher im Magazin „Science Translational Medicine“.

Die gesundheitliche Versorgung in Entwicklungsländern steht vor besonderen Herausforderungen: Bei einer Epidemie muss oft eine große Anzahl von Menschen unter einfachsten Bedingungen untersucht werden. Sauberes Trinkwasser und sanitäre Anlagen fehlen oft, so dass sich Infektionen und Parasiten sehr leicht ausbreiten. Diagnose und Behandlung müssen daher so schnell wie möglich erfolgen. Teure medizinische Geräte und besonders ausgebildete Pflegekräfte stehen aber nur selten in ausreichender Zahl bereit.

Weltweit arbeiten Forscher darum an Methoden, um diese Situation zu verbessern: So gibt es mittlerweile Schnelltests für Malaria, und ein Mini-Labor zur Diagnose von HIV und Syphilis lässt sich aufs Smartphone aufstecken und praktisch überall betreiben. Ingenieure und Mediziner um Daniel Fletcher von der University of California in Berkeley haben nun ein medizinisches Mikroskop entwickelt, das die Kamera eines Mobiltelefons nutzt.

Tödliche Nebenwirkung bei Wurmbefall

Mit einer speziell programmierten App kann dieses Mikroskop innerhalb von wenigen Minuten den Blutparasiten Loa loa nachweisen. Dieser auch als Augenwurm bekannte Fadenwurm ist im tropischen Afrika verbreitet. Er verursacht Beulen unter der Haut und wandert manchmal auch bis ins Auge. Die Infektion ist unangenehm und schmerzhaft, aber vergleichsweise harmlos: Mit Medikamenten und zur Not einem chirurgischen Eingriff lässt sich dieser Parasit gut bekämpfen.

Der Wurm erschwert jedoch den Kampf gegen eine andere, viel gefährlichere Krankheit: die sogenannte Flussblindheit. Sie entsteht ebenfalls durch einen Parasiten, den Fadenwurm Onchocerca volvulus. Dieser Wurm ist wesentlich aggressiver und verursacht auch die sogenannte Elephantiasis, ein schmerzhaftes extremes Anschwellen der Gliedmaßen. Gegen diesen Parasiten gibt es ein wirksames Medikament, den Wirkstoff Ivermectin. Bei Menschen, die gleichzeitig jedoch auch mit Loa loa infiziert sind, kann das Mittel jedoch tödliche Nebenwirkungen haben.

Das "CellScope Loa"-System verwandelt ein Smartphone in ein Diagnose-Labor. © Mike D'Ambrosio and Matt Bakalar, UC Berkeley

Komplette Diagnose in einem Gerät

Die weitläufigen Anstrengungen gegen Flussblindheit und Elephantiasis sind aus diesem Grund in den letzten Jahren ins Stocken geraten: Um sicher zu gehen, dass Patienten nicht auch mit Loa loa infiziert sind, sind Bluttests nötig. Ausgebildete Mediziner suchen und zählen dabei am Mikroskop die Larven des Wurms, die sogenannten Mikrofilarien, die im Blut schwimmen. Diese Methode ist langwierig, erfordert ein entsprechend ausgestattetes Labor und ist außerdem fehleranfällig.

Das nun entwickelte Smartphone-Mikroskop mit dem Namen „CellScope Loa“ beschleunigt den Prozess: Die App erkennt die Wurmlarven anhand ihrer typischen, sich windenden Bewegungen. Ein Tropfen Blut reicht aus, und die Probe muss nicht weiter vorbereitet oder eingefärbt werden. Die Bedienung über den Touchscreen des Telefons ist besonders einfach gehalten. „Wir haben schon früher gezeigt, dass Mobiltelefone zur Mikroskopie geeignet sind“, sagt Fletcher, „aber dies ist das erste Gerät, das die Bildgebung mit Hardware und Software kombiniert und eine komplette Diagnosemethode bildet.“

„genial, praktisch und extrem notwendig“

In Kamerun haben die Forscher das Smartphone-Mikroskop bereits im Einsatz gegen Flussblindheit getestet. Dabei zeigte sich das Gerät als mindestens so genau wie die bestehenden Techniken. Weil der gesamte Analyseprozess automatisiert ist, sinkt auch die Anfälligkeit für menschliche Fehler. In wenigen Minuten können Mediziner so feststellen, ob sie einen Patienten gefahrlos mit Ivermectin behandeln können.

„Einen Test vor der medikamentösen Behandlung direkt vor Ort zu haben ist ein großer Fortschritt zur Kontrolle solcher verheerenden Krankheiten“, sagt Vincent Resh von der University of California, der seit 15 Jahren in Westafrika gegen Parasiten arbeitet. Eine Smartphone-App, die einen solchen Test bietet, sei „genial, praktisch und extrem notwendig.“ In einer Folgestudie wollen die Forscher mit dem Smartphone-Mikroskop rund 40.000 Menschen in Kamerun helfen. (Science Translational Medicine, 2015; doi: 10.1126/scitranslmed.aaa3480 )

(University of California – Berkeley, 07.05.2015 – AKR)

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