Antibiotika mit Nebenwirkungen: Ein übermäßiger Einsatz antibiotischer Medikamente bei Kleinkindern könnte zu wachsenden Gesundheitsproblemen im Erwachsenenalter führen. Laut einem von US-Forschern erstellten Modell bringen Antibiotika die Darmflora während deren Entwicklung besonders leicht aus dem Gleichgewicht – zu den möglichen Folgen gehören Allergien und Übergewicht. Ein klinischer Test könnte ein solches Ungleichgewicht frühzeitig feststellen, so die Forscher.
Antibiotika haben vielen bakteriellen Infektionskrankheiten ihren Schrecken genommen und gelten als einer der größten medizinischen Fortschritte überhaupt. Allerdings hat ihr verbreiteter Einsatz auch seine Schattenseiten: Immer mehr Bakterien lassen sich mit den einstigen Wundermitteln nicht mehr bekämpfen, weil sie dagegen resistent sind. Solche Antibiotika-Resistenzen verbreiten sich unter anderem auch deshalb, weil oft Antibiotika verschrieben werden, wenn es eigentlich nicht nötig ist.
Stoffwechsel- und Immunkrankheiten
Ein weiteres Problem ist, dass Antibiotika nicht unbedingt zwischen krankmachenden Bakterien und „guten“ Mikroorganismen unterscheiden. Wie wichtig die Bakterien sind, die unsere Haut, unsere Schleimhäute und unseren Darm bevölkern, zeigen jedoch zahlreiche Studien der jüngeren Zeit: Von Allergien bis Übergewicht spielen die winzigen Mitbewohner eine wichtige Rolle, und sie beeinflussen sogar, was wir gerne essen.
Stoffwechsel und Immunsystem sind dabei die entscheidenden Ansatzpunkte: „Krankheiten, die mit dem Stoffwechsel oder dem Immunsystem zusammenhängen, nehmen in letzter Zeit stark zu“, sagt Dan Knights von der University of Minnesota, „und in vielen Fällen wissen wir nicht, warum.“ Frühere Studien haben bereits einen Zusammenhang zwischen Antibiotika und einer gestörten Darmflora gezeigt. Andere wiederum spannten einen Bogen von gestörter Darmflora zu vermehrten Krankheiten und Übergewicht bei Erwachsenen.
Empfindliche Darmflora im Aufbaustadium
Knights und seine Kollegen haben nun ein Modell erklärt, das diese Schritte zusammenfasst und erklärt, wie es dazu kommt. Demnach ist ein Übermaß an Antibiotika vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern riskant: In diesem Alter befindet sich die Darmflora gewissermaßen im Aufbaustadium. Die Entwicklung der Bakteriengemeinschaft im Darm verläuft so spezifisch, dass sich das Alter eines Kindes daran bis auf knapp sechs Wochen genau ablesen lässt.
Töten nun Antibiotika einen Teil dieser Bakterien ab, so gerät diese Entwicklung und damit das ganze System durcheinander. Immunzellen können heranreifen, ohne diesen Bakterien jemals begegnet zu sein. Manche Zellen mit regulierender Funktion könnten so außer Kontrolle geraten und Allergien oder Überempfindlichkeiten verursachen. Selbst wenn die nötigen Bakterien zurückkehren und sich die Darmflora zeitverzögert entwickelt, behält das „Gedächtnis“ des Immunsystems solche Fehler bei.
Mit einem klinischen Test, so schlägt Knights vor, ließe sich frühzeitig feststellen, ob die Darmflora eines Kindes während der Entwicklung vom typischen Schema abweicht. Antibiotika und anderen störenden Faktoren könnte dann rechtzeitig entgegengewirkt werden: „Wir glauben, dass unsere Resultate einen Fahrplan für zukünftige Forschung ermöglichen“, sagt Knights, „mit dem Ziel, die gesundheitlichen Folgen von Antibiotika zu bestimmen und Empfehlungen für deren Verschreibung zu entwickeln. (Cell Host & Microbe, 2015; doi: 10.1016/j.chom.2015.04.006)
(University of Minnesota, Academic Health Center, 15.05.2015 – AKR)