Rosettas Komet ist kein Einzelfall: Kometenkerne mit „Kopf“ und „Körper“ könnten im frühen Sonnensystem sogar häufig gewesen sein, wie Computersimulationen belegen. Diese zusammengefügten Brocken zeigen auch, wie sich die Anfänge der heutigen Gesteinsplaneten bilden konnten. Denn in der Anfangszeit des Sonnensystems liefen Kollisionen zwischen solchen Brocken noch geradezu sanft ab, erklären Forscher im Fachmagazin „Science“.
Der Rosetta-Komet 67P/Chruyumov-Gerasimenko hat eine eigenwillige Form: Er sieht aus, als sei er aus einem „Körper“ und einem „Kopf“ zusammengesetzt. Astronomen vermuten, dass tatsächlich zwei ursprünglich einzeln durch das All fliegende Brocken zusammenstießen und so den Kern des Kometen bildeten. Auch einige andere bislang von Raumsonden fotografierte Kometenkerne deuten auf eine ähnliche Geschichte hin, wie etwa die Kometen 103P/Hartley 2 and 19P/Borelly.
Nach Streifschuss zusammengesetzt
Wie solche Zusammenstöße ablaufen, haben Martin Jutzi von der Universität Bern und Erik Asphaug von der Arizona State University mit zahlreichen Computersimulationen untersucht. Darin ließen die Astrophysiker rund 100 Mal Objekte verschiedener Größe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten zusammenprallen. Videosequenzen zeigen die Kollisionen im Zeitraffer.
In einem solchen Video sieht man, wie zwei eisige Brocken sich einander ungefähr mit dem Tempo eines Fahrradfahrers nähern. Sie stoßen nicht frontal zusammen, sondern streifen einander, rotieren gemeinsam und trennen sich wieder. Der kleinere Körper lässt dabei deutliche Materialspuren auf dem größeren zurück.
Etwa 14 Stunden nach diesem Treffer kehrt das kleinere Objekt wegen der Gravitationskraft zwischen beiden Körpern um, und etwa einen Tag nach dem ersten Streifschuss prallen die beiden Brocken erneut aufeinander. Diesmal bleiben beide Teile zusammen und vereinen sich zu einem Objekt: Körper und Kopf sind deutlich erkennbar, ganz ähnlich wie bei 67P/Churyumov-Gerasimenko.
Blick auf die Frühzeit des Sonnensystems
Dreidimensionale Computersimulationen wie diese lassen die Astronomen einen Blick auf die Frühzeit des Sonnensystems werfen. „Kometen und ihre Vorläufer wurden in den äußeren Planetenregionen gebildet, vermutlich Jahrmillionen vor der Planetenentstehung“, erklärt Jutzi. „Die Rekonstruktion der Entstehungsprozesse von Kometen kann entscheidende Informationen über die Anfangsphase der Planetenentstehung liefern.“
Den Simulationen der Astrophysiker zufolge sind zweiteilige Kometen wie 67P/Churyumov-Gerasimenko keine Seltenheit, auch die bereits erwähnten 103P/Hartley 2 and 19P/Borelly passen in dieses Schema. Das Modell ist auch im Einklang mit der geringen Dichte der Kometen, denn die Kollisionen komprimieren das Material nur wenig. Und noch eine weitere Eigenschaft scheint das Modell zu bestätigen: Als die NASA-Sonde Deep Impact 2005 auf dem Kometen 9P/Tempel 1 aufschlug, ließ sich ein schichtartiger Aufbau des Kometenkerns erkennen. Ähnliche Schichten finden die Forscher auch in ihren Simulationen.
Reste aus der ruhigen Anfangsphase
„Wie und wann diese Merkmale geformt wurden, ist umstritten“, sagt Jutzi, „dabei hat dies wichtige Auswirkungen auf die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems.“ Anhand ihrer Simulationen gehen die Forscher davon aus, dass es sehr früh in der Geschichte des Sonnensystems geschah: Die Kometenbrocken lagern sich nämlich nur bei langsamen Zusammenstößen aneinander. „Diese langsamen Kollisionen geschahen vermutlich in der ruhigen Anfangsphase der Planetenentstehung vor rund 4,5 Milliarden Jahren, bevor große Körper das System zu zerstörerischen Geschwindigkeiten anregten“, erklärt Jutzi. „Dies spricht für die Idee, dass die Kometenkerne ursprüngliche Reste einer frühen Anhäufung kleiner Körper sind.“
Der gleiche Prozess könnte aber auch zwischen Trümmerteilen stattgefunden haben, die von viel größeren Objekten abgespaltet wurden. Zusammen mit künftigen Weltraummissionen, die mit Radar innere Strukturen direkt abbilden, sind die Computersimulationen ein wichtiger Schritt, um aufzuklären, wie die Kometenkerne entstanden sind. (Science Express, 2015; doi: 10.1126/science.aaa4747)
(Universität Bern, 29.05.2015 – AKR)