Kometen als Lebensbringer? Mikroorganismen sollen zum Teil für die merkwürdigen Eigenschaften des Rosetta-Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko verantwortlich sein. Dieser gewagten Hypothese zweier Astrobiologen zufolge bietet der Komet während seines Vorbeiflugs an der Sonne lebensfreundliche Bedingungen für solche Organismen. Derart besiedelte Kometen könnten dann auch der Ursprung irdischen Lebens sein.
Bilder und Daten vom Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zeigen eine fremdartige und überraschend vielseitige Welt: Die ESA-Raumsonde Rosetta fand auf dem Kometen Eisschichten unter einer kohlschwarzen Kruste aus Staub und schroffe Klippen im Wechsel mit staubigen Ebenen. Einige Regionen erinnern an gefrorene Seen. Kreisrunde Löcher deuten auf eingestürzte Hohlräume hin. Parallele Gräben zeugen von Rissen im Eis, vermutlich entstanden durch die Rotation des asymmetrischen, zweiteiligen Kometen.
Aktiver Komet – aktive Mikroorganismen?
Zwei Astrobiologen haben auf einer astronomischen Tagung in Wales nun eine revolutionäre Hypothese über den Kometen vorgestellt: Mikroorganismen könnten einen Anteil an den merkwürdigen Eigenschaften von 67P/Churyumov-Gerasimenko haben, glauben Max Wallis von der University of Cardiff und Chandra Wickramasinghe vom Buckingham Centre for Astrobiology. Die Veränderungen im Eis und im organischen Material des Kometen unter dem Einfluss der Sonne seien die Grundlage dafür – denn sie könnten auch Mikroorganismen das Überleben ermöglichen.
Im Modell der Wissenschaftler sind eventuelle Mikroorganismen auf dem Kometen auf flüssiges Wasser in ihrem Inneren angewiesen. Mit körpereigenen Frostschutzmitteln ließe sich das nach bisherigen Erkenntnissen bei Temperaturen bis hinunter zu minus 40 Grad Celsius bewerkstelligen. In den sonnigen Bereichen von 67P/Churyumov-Gerasimenko stiegen die Temperaturen bereits im vergangenen September über den Schwellenwert von minus 40 Grad, noch 500 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Schon zu diesem Zeitpunkt war der Komet ungewöhnlich aktiv und stieß große Mengen Gas und Wasser ins All.
Lebensfreundlicher als die Antarktis?
Während sich der Kometenkern seinem sonnennächsten Punkt von 195 Millionen Kilometern Abstand nähert, steigt die Temperatur weiter an. Dabei könnte nicht nur das Ausgasen des Kometen zunehmen – auch vorhandene Mikroorganismen würden aktiver werden, spekulieren die Astrobiologen. Sie könnten den Kometen dann durch Risse in seiner Eiskruste gewissermaßen kolonisieren.
„Rosetta hat bereits gezeigt, dass wir den Komet nicht als tiefgefrorenen, inaktiven Körper betrachten dürfen“, sagt Wallis, „stattdessen zeigt er geologische Prozesse und könnte lebensfreundlicher für Mikroorganismen sein als unsere arktischen oder antarktischen Regionen.“ Rosettas Infrarot-Aufnahmen und Daten des Landers Philae untermauern den Forschern zufolge diese Ansicht: Reichlich vorhandene komplexe organische Moleküle könnten auf Leben hindeuten.
Wallis und Wickramasinghe betrachten auch das Jahr dieser Entdeckung als symbolträchtig: Vor hundert Jahren wurde der Wissenschaftler Fred Hoyle geboren, ein Pionier der Astrobiologie und Mitbegründer der Panspermie-Hypothese. Nach dieser Ansicht entstand das Leben nicht auf der Erde selbst, sondern anderswo im Sonnensystem oder sogar außerhalb davon. Mit Kometen oder Meteoriteneinschlägen seien dann die ersten DNA-Bausteine oder sogar Mikroorganismen auf die Erde gelangt.
(Royal Astronomical Society (RAS), 06.07.2015 – AKR)