Zoologie

Schwarze Witwen: Paarungserfolg durch Vandalismus

Spinnenmännchen zerstören Netze der Weibchen, um Duftsignale zu entfernen

Das Spinnenmännchen entfernt Seide aus dem Netz des Weibchens und wickelt sie in eigene Seidenfäden. © Sean McCann

Ruppige Sitten unter Spinnen: Männchen der Schwarzen Witwe reißen nach der Paarung das Netz des Weibchens ein. Wissenschaftler haben beobachtet, dass die Spinnen so die attraktive Wirkung des Netzes auf Konkurrenten effektiv verringern. Die Weibchen nehmen diesen Vandalismus überraschend gelassen hin – denn sie profitieren ebenfalls davon, wie die Forscher im Magazin „Animal Behaviour“ berichten.

Die Schwarze Witwe ist berüchtigt: Sie gehört zu den Spinnenarten, deren Biss auch für den Menschen äußerst schmerzhaft ist und in seltenen Extremfällen sogar zum Tod führen kann. Sprichwörtlich geworden ist diese Spinne jedoch für ihr Balzverhalten: Die deutlich größeren Weibchen sollen angeblich die schmächtigeren Männchen nach der Paarung auffressen.

Pheromone als Kontaktanzeige

Tatsächlich geschieht dieser kannibalische Akt nur selten. Es kommt jedoch vor, dass das Männchen einen Biss und sogar schwere Verletzungen davon trägt – aber auch die Männchen lassen sich manchmal mehr von Hunger als von Paarungslust treiben. Die Paarung ist bei der Schwarzen Witwe das Ergebnis eines stundenlangen Balzrituals. Die Weibchen locken dabei die Männchen an, indem sie die Seide ihres Netzes mit Signalstoffen tränken.

„Die von weiblichen Schwarzen Witwen produzierten Seidenpheromone sind wie eine duftbasierte Kontaktanzeige“, erklärt Catherine Scott von der kanadischen Simon Fraser University. „Einmal an den Pheromonen schnuppern verrät den Männchen alles über das Alter, vergangene Paarungen und sogar den Hunger des Weibchens.“ Jenseits dieser Duftsignale kommunizieren die Spinnen außerdem über Vibrationen entlang der Fäden des Netzes.

Schwarze Witwen der Art Latrodectus hesperus, oben links das Männchen, unten rechts das Weibchen © Wikimedia Commons / Davefoc

Bis zu 40 Männchen pro Nacht

Die Konkurrenz unter den Männchen ist enorm: Das Netz eines einzigen Weibchens kann in einer Nacht bis zu 40 Männchen anlocken. Um ihre Chancen zu erhöhen, wenden die Verehrer allerlei Tricks an: Sie verstopfen die Geschlechtsöffnung des Weibchens nach der Paarung mit Spinnenseide und versuchen nach Kräften, andere Anwärter von ihrer Auserwählten fern zu halten.

Scott und ihre Kollegen haben nun ein weiteres Beispiel für derartig trickreiches Verhalten beobachtet: Die Spinnenmännchen greifen auf Vandalismus zurück und reißen das Netz des Weibchens ein. Sie entfernen einen großen Teil der Spinnenseide und wickeln sie in eigene Fäden ein. Auf diese Art entfernen sie gewissermaßen die Kontaktanzeige des Weibchens. So tauchen weniger Mitbewerber auf und ihre eigenen Paarungschancen erhöhen sich.

Zerrissene Netze sind unattraktiv

In einem Experiment haben die Wissenschaftler überprüft, wie effektiv diese Methode ist. Sie ließen zunächst einige weibliche Schwarze Witwen ihre Netze in Käfige bauen, und entfernten dann die Weibchen. Einige dieser Netze ließen die Forscher unangetastet, einige ließen sie von Spinnenmännchen teilweise zerstören. Einige weitere Netze zerschnitten die Forscher selbst mit einer Schere und entfernten etwa die Hälfte der Spinnenseide. Diese präparierten Käfige stellten sie in einem Gebiet aus, in dem die Spinnen natürlich vorkommen.

Ein Männchen der Spinnenart Latrodectus hesperus verkleinert das Netz eines Weibchens.© Sean McCann

Das Ergebnis war deutlich: Die unversehrten Netze sowie die mit der Schere bearbeitete Spinnenseide waren für paarungswillige Spinnenmännchen gleichermaßen attraktiv. Nach sechs Stunden hatten sich bis zu zehn Männchen an den Netzen versammelt. Die zuvor von männlichen Schwarzen Witwen zerschnittenen Netze dagegen zogen nur ein Drittel so viele Männchen an, obwohl die abgerissene und verpackte Seide noch daneben lag.

Weibchen haben nichts gegen Netz-Vandalismus

„Was auch immer die Männchen anstellen, wenn sie die Netze verkleinern – es ist wesentlich effektiver, als einfach nur die Menge der Seide zu halbieren“, beschreibt Scott. Möglich sei etwa, dass die weiblichen Pheromone nur in einem bestimmten Bereich konzentriert seien, und die Männchen gezielt diesen Teil des Netzes entfernen. Außerdem könnten die Männchen ihre eigenen Pheromone hinzufügen und die des Weibchens maskieren, wenn sie die Reste des Netzes in ihre eigenen Fäden einwickeln. Männliche Pheromone haben die Forscher zwar bislang nicht nachgewiesen, aber sie wollen das Verhalten noch weiter untersuchen.

Bemerkenswert ist außerdem, wie die Weibchen auf die Zerstörung ihres Netzes reagieren: Sie unternehmen in der Regel gar nichts, während die Männchen das Netz verwüsten. Die Wissenschaftler spekulieren, dass das Entfernen der Pheromone durchaus auch für das Weibchen nützlich ist: Nach erfolgreicher Paarung muss die Schwarze Witwe so keine weiteren Verehrer mehr ertragen oder abwehren. Statt weiter belästigt zu werden kann sie sich ungestört auf den kommenden Nachwuchs vorbereiten. (Animal Behaviour, 2015; doi: 10.1016/j.anbehav.2015.06.009)

(Elsevier, 14.07.2015 – AKR)

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