Unerwartete Mittäter: Einzellige Algen könnten mitverantwortlich für eine der Schneeball-Epochen der Erde sein. Sie kühlten die Erde ab, indem sie viel mehr Wolken entstehen ließen, vermuten deutsche Wissenschaftler. Die Wolken reflektierten wärmendes Sonnenlicht ins All, bis die Erde fast vollständig vereiste, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ beschreiben. Der Mechanismus funktioniere auch heute noch – aber eine weitere Schneeball-Erde sei in unserer Zeit unmöglich.
Die Erde hat sich in ihrer Vergangenheit bereits mehrmals in einen Schneeball verwandelt: Während der Zeit des Cryogeniums vor 720 bis 636 Millionen Jahren war sie kein blauer, sondern ein weißer Planet. Die Ozeane gefroren teilweise zu Eis, die Landmassen verschwanden unter Schneedecken, und selbst in Äquatornähe herrschte Winter.
Vorgekühltes Klima für verwitternden Superkontinent
Die genauen Mechanismen hinter diesen ausgedehnten Eiszeiten sind noch unklar. Ein Auslöser der Schneeball-Zeit vor rund 700 Millionen Jahren war aber wahrscheinlich das Auseinanderbrechen des Superkontinents Rodinia. Dabei verwitterte viel Gestein, das an die Oberfläche trat, wodurch die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre stark abnahm. Dies wiederum ließ die Temperaturen fallen.
Dieser Mechanismus funktioniert jedoch nur, wenn das Klima bereits vorgekühlt war. Über diese Vorbedingungen haben Wissenschaftler um Christian Hallmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena nun eine neue Theorie aufgestellt, die zunächst paradox klingt: Ausgerechnet eine wachsende Vielfalt des Lebens könnte demnach mitverantwortlich dafür sein, dass die Erde unter Schneemassen und Gletschern begraben lag und eher lebensfeindlich wurde.
Algen als Wolkenmacher
Denn kurz bevor die Erde sich in einen Schneeball verwandelte, entstand eine Vielzahl neuer Arten von eukaryotischen Algen. Diese besaßen erstmals einen Zellkern und sind damit Vorläufer der mehrzelligen Lebewesen. Für das Klima auf der Erde hatten sie einen entscheidenden Effekt: Sie wirkten als Wolkenmacher, und Wolken halten wärmende Sonnenstrahlen von der Erde fern. „Eine starke Diversifizierung von Algen könnte die perfekten Bedingungen für das Entstehen einer sogenannten Schneeball-Erde geschaffen haben“, sagt Hallmann.
Manche heutige Algen können nämlich bestimmte Schwefelverbindungen produzieren, und vermutlich taten einige der damaligen Arten das ebenfalls schon. Sterben die Algen dann ab und werden von Bakterien zersetzt, gelangen diese Verbindungen in die Atmosphäre. Diese Aerosole dienen als Kondensationskeime für Wolken – ähnlich wie die schwefelhaltigen Gase, die bei Vulkanausbrüchen freiwerden.
Auch heute noch sind Algen die Hauptquelle solcher Keime für die Wolkenbildung über den Ozeanen. Je mehr Aerosole sich in der Atmosphäre befinden, an desto mehr Stellen können sich die Wassertropfen festhalten. Es entstehen besonders dichte Wolken, die lange in der Atmosphäre verbleiben bevor sie abregnen.
Dichte Wolkendecke kühlt die Erde
Dass eine dichtere Wolkendecke tatsächlich eine Mitschuld an der Schneeball-Erde tragen würde, haben die Wissenschaftler mit Klimamodellen errechnet. Sie simulierten die Lage der Kontinente vor 720 Millionen Jahren und veränderten sowohl die Konzentration von Kohlendioxid als auch die Wolkendecke. Es zeigte sich, dass erst eine Kombination aus sehr wenig Kohlendioxid und vielen Wolken, also vielen Aerosolen, die Erde in den Schneeballstatus kippen lassen kann. Für ein ähnliches Ereignis in unserer Zeit besteht dagegen keinerlei Gefahr.
„Die Zunahme bestimmter Algen vor etwa 800 Millionen Jahren hat das Klima deutlich abgekühlt und die nachfolgenden globalen Vereisungen wahrscheinlich erst möglich gemacht“, fasst Studienleiter Georg Feulner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Mit unserer Studie haben wir ein neues Puzzleteil entdeckt, um eine der faszinierendsten Episoden der Klimageschichte besser zu verstehen.“ (Nature Geosciences, 2015; doi: 10.1038/ngeo2523)
(Max-Planck-Gesellschaft, 02.09.2015 – AKR)