Neurobiologie

Bei Traurigkeit sehen wir Farben anders

In gedrückter Stimmung können wir blaue und gelbe Farbtöne schlechter unterscheiden

Wie wir Farben wahrnehmen, hängt offenbar auch von unserer Stimmung ab © Sandra Cunningham/ freeimages

Wenn wir traurig sind, sehen wir die Welt tatsächlich in einem anderen Licht: In gedrückter Stimmung nehmen wir Blau und Gelbtöne weniger gut wahr, wie nun eine Studie belegt. Die Wahrnehmung von roten und grünen Farbtönen wird dagegen von unserer Laune nicht beeinflusst. Warum das so ist und warum wir nur bestimmte Farben je nach Stimmung unterschiedlich sehen, darüber rätseln auch die Forscher noch.

Die Welt durch eine rosarote Brille sehen, getrübter Stimmung sein, feeling blue – in vielen Ausdrücken, die unsere Stimmung umschreiben, tauchen Farben auf. Aber warum eigentlich? Und warum assoziieren wir automatisch mit Farben wie Gelb oder Rot Freude, mit Grau oder Schwarz aber Trauer? Steckt mehr dahinter als nur die Helligkeit des Farbtons? Von Menschen mit einer schweren Depression ist tatsächlich bereits bekannt, dass sie Kontraste weniger gut wahrnehmen als gesunde Menschen.

Farbtest bei Trauer und Freude

Könnte es etwas Ähnliches auch bei ganz normalen Stimmungen geben? „Wir wollten wissen, ob die Metaphern vielleicht entstanden sind, weil es tatsächlich eine Verbindung zwischen der Farbwahrnehmung und der Stimmung gibt“, erklärt Studienleiter Christopher Thorstenson von der University of Rochester.

Für ihre Studie zeigten die Forscher insgesamt knapp 260 Studenten zunächst einen Videoclip, der entweder Traurigkeit auslöste, Freude oder aber emotional neutral war. Dann baten sie alle Teilnehmer, sich 48 Tafeln mit Farbtönen anzusehen und sie den Farben Rot, Gelb, Blau oder Grün zuzuordnen. Die Schwierigkeit dabei: Die Farbsättigung der Testtafeln war so gering, dass die Zuordnung eine präzise Farbwahrnehmung erforderte.

Je blasser und ungesättigter ein Farbton ist, desto schwerer ist es, ihn einer Farbe zuzuordnen © Wayne Langley / freeimages

Auffallende Blau-Gelb-Schwäche

Das Ergebnis war erstaunlich: Diejenigen, die den traurigen Film gesehen hatten, schnitten im Farbtest deutlich schlechter ab als die eher froh oder neutral gestimmten Teilnehmer. Wie die Forscher betonen, ließ sich dabei keinerlei Zusammenhang zu Aufmerksamkeit oder Motivation finden. Den Probanden fiel es einfach nur schwerer, die Farbtöne korrekt zuzuordnen – seltsamerweise aber nur bei Blau- und Gelbtönen, nicht aber im Rot-Grün-Bereich.

„Wir waren überrascht, wie spezifisch dieser Effekt war, dass nur die Farben der Blau-Gelb-Achse betroffen waren“, sagt Thorstenson. „Die Ergebnisse zeigen aber, dass Stimmung und Emotion beeinflussen kann, wie wir die Welt um uns herum sehen.“ Offenbar beeinflussen die Gefühle demnach nicht nur unser Denken, sondern sogar grundlegende visuelle Prozesse.

Steckt ein Hirnbotenstoff dahinter?

Warum Traurigkeit ausgerechnet auf das Blau-Gelb-Spektrum wirkt und was dahinter steckt, ist bisher noch unbekannt. „Dieses unerwartete Ergebnis gibt uns möglicherweise einen Hinweis darauf, dass Neurotransmitter damit zu tun haben“, sagen die Forscher. Sie vermuten, dass der Hirnbotenstoff Dopamin dahinter stecken könnte. Dieser gilt als „Glückshormon“, beeinflusst aber auch unser Gedächtnis, unsere Rechenfähigkeit und sogar unser moralisches Verhalten.

Frühere Studien hatten bereits Hinweise auf eine Verbindung zwischen Dopamin und der Farbwahrnehmung speziell im Blau-Gelb-Bereich gefunden. Da das Hormon auch die Stimmung beeinflusst, gibt es hier möglicherweise einen Zusammenhang. „Aber noch stehen wir hier ganz Am Anfang“, betont Thorstenson. „Wir müssen uns nun erstmal die Zeit nehmen und die Robustheit und Generalisierbarkeit dieses Phänomens überprüfen, bevor wir weiter gehen.“ (Psychological Science, 2015; doi: 10.1177/0956797615597672)

(Association for Psychological Science, 03.09.2015 – NPO)

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