Astronomie

„Zu großes“ Schwarzes Loch gibt Rätsel auf

Aktiver Galaxienkern ist viel zu massereich für seine Galaxie - eigentlich

Ein aktiver Galaxienkern in einer Wirtsgalaxie (Illustration) © NASA / Dana Berry / SkyWorks Digital

Größer als erlaubt: Astronomen haben in einer fernen Galaxie ein „unmögliches“ Schwarzes Loch entdeckt. Denn der Gigant besitzt die 350-millionenfache Masse unserer Sonne und ist damit viel zu groß für seine eher durchschnittliche Galaxie. Ob das Schwarze Loch schneller gewachsen ist als normal oder aber die Galaxie verfrüht ihr Wachstum einstellte, ist bisher unklar. Ebenso unbekannt ist, ob es womöglich noch mehr solcher Sonderlinge gibt.

Normalerweise wachsen beide gemeinsam heran: Galaxien und die massereichen Schwarzen Löcher in ihrem Zentrum sind eng miteinander verbunden. In nahezu allen bekannten Galaxien folgen sie daher einem bestimmten Größenverhältnis. Doch es gibt Ausnahmen – und eine davon haben Jacco van Loon von der britischen Keele University und seine Kollegen nun entdeckt.

Zufallsfund hinter Nachbargalaxie

Die Galaxie SAGE0536AGN wurde quasi per Zufall entdeckt. Denn sie liegt versteckt hinter der Großen Magellanschen Wolke und ist nur im Infrarot und in Radiowellen deutlich zu erkennen. Im sichtbaren Licht scheint sie eher schwach. Nähere Beobachtungen ergaben, dass diese Galaxie rund neun Milliarden Jahre alt ist und einen aktiven Galaxienkern besitzt – ein Schwarzes Loch, das große Mengen heißen Gases ansaugt. Dabei wird das Gas so stark beschleunigt, dass es energiereiche Strahlung abgibt.

Die Astronomen haben nun mit Hilfe des Southern African Large Telescope die Rot- oder Blauverschiebung des Lichts dieser Galaxie gemessen. Sie verrät, wie schnell das Gas um das Schwarze Loch rotiert und auch, wie massereich und groß diese Singularität ist. Anhand der Geschwindigkeit der Sterne in der Galaxie lässt sich auch auf ihre Größe und Masse schließen.

Zu groß für seine Galaxie

Das überraschende Ergebnis: Das Schwarze Loch im Herzen von SAGE0536AGN hat die 350-millionenfache Masse unserer Sonne. Doch die es umgebende Galaxie besitzt „nur“ rund 25 Milliarden Sonnenmassen. Das ist zwar 70 Mal mehr als ihr Schwarzes Loch, aber viel zu wenig, um den gängigen Theorien zum Verhältnis von Galaxien und ihren Schwarzen Löchern zu entsprechen.

Denn eigentlich müsste die Galaxie 30 Mal größer sein, um zu dem Giganten in ihrem Zentrum zu passen. „Dieses Schwarze Loch ist einfach zu groß für seine Umgebung“, erklärt van Loon. „Es sollte eigentlich nicht möglich sein, dass es so stark heranwächst.“ Dieser Zufallsfund stelle daher die gängige Theorie in Frage.

Vertreter einer ganz neuen Klasse von Galaxien?

Warum das Schwarze Loch in SAGE0536AGN so riesig ist, können auch die Astronomen bisher nicht erklären. Theoretisch wäre es möglich, dass das Schwarze Loch aus ungeklärten Gründen einen außergewöhnlichen Wachstumsschub durchmachte. So könnten kurz zuvor zwei kleinere Galaxien miteinander verschmolzen sein, was dem Schwarzen Loch besonders viel Nahrung verschafft hätte. Es könnte aber auch sein, dass seine Galaxie einfach zu früh mit dem Wachsen aufhörte.

Unklar ist auch, ob SAGE0536AGN eine Ausnahme ist oder ob es noch mehr solcher eher durchschnittlicher Galaxien mit übergroßen Schwarzen Löchern gibt. Nach Ansicht von van Loon und seinen Kollegen könnte das durchaus der Fall sein: „Es muss noch andere Objekte wie SAGE0536AGN geben und diese könnten durchaus eine neue Unterklasse von Radiogalaxien mit warmem Staub darstellen“, so die Astronomen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2015; arXiv:1508.00698/ doi: 10.1093/mnras/stv1787)

(Royal Astronomical Society (RAS), 28.09.2015 – NPO)

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