Rätsel gelöst: Rosettas Komet „Chury“ bestand ursprünglich aus zwei Einzelteilen. Ein langsamer Zusammenprall dieser zwei Brocken schuf die eigentümliche Gummientenform des Kometenkerns. Zwiebelähnliche Gesteinsschichten beantworteten die Frage, über die Komentenforscher sich schon lange den Kopf zerbrachen. Diese Schichten geben auch neue Hinweise darauf, wie Kometen im frühen Sonnensystem entstanden sind, schreiben die Wissenschaftler im Magazin „Nature“.
Die bizarre Form von Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko hat Wissenschaftler erstaunt, seit sie das erste Mal auf von der Sonde Rosetta gemachten Bildern erkennbar war: Der Kometenkern besteht aus einem größeren Körper und einem kleineren Kopf, die durch einen schmalen Hals miteinander verbunden sind. Zusammen lässt das den Kometen „Chury“ ein wenig wie eine Gummiente aussehen.
Kollision oder Erosion?
Doch wie diese Form zustande kommt, war bislang nicht eindeutig geklärt. Naheliegend ist die Erklärung, dass zwei Einzelteile zusammenstießen, aneinander hängen blieben und so einen gemeinsamen Kometenkern bildeten. Modelle für solche Kollisionen existieren bereits.
Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit: Die Gummientenform könnte auch aus einem einzelnen Brocken entstanden sein. Wenn Eis in dessen Inneren unregelmäßig verdampft, könnte dies die schmale Halsregion gewissermaßen herausgearbeitet haben. Dass solche Erosion eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Chury spielt, ist den Forschern bereits bekannt.
Mit Hilfe von hochauflösenden Bildern aus Rosettas OSIRIS-Kamerasystem haben Wissenschaftler um Matteo Massironi von der Universität Padua dieses Rätsel gelöst: Beide Teile haben eine eigene äußere Hülle aus geschichtetem Staub, Geröll und Eis. Das spricht dafür, dass sie ursprünglich eigenständige Kometen waren, die miteinander zusammenstießen.
Zwiebelschichten zeigen Einzelteile
„Man kann sich diese Schichten wie die einer Zwiebel vorstellen“, verdeutlicht Massironi. „Nur dass wir hier zwei unterschiedlich große Zwiebeln betrachten, die unabhängig voneinander gewachsen sind, bevor sie miteinander verschmolzen.“ Diese Schichten erstrecken sich in eine Tiefe von bis zu 650 Metern ins Innere des Kometen.
Auf die Spur dieser Zwiebelschichten kamen die Forscher durch terrassenförmige Strukturen an den Abhängen und Kraterwänden des Kometen. Auf den OSIRIS-Bildern lässt sich dort erkennen, wie sich die einzelnen Schichten parallel übereinander lagern. An einem 3D-Modell des Kometenkerns konnten die Wissenschaftler dann die Richtungen bestimmen, in denen sich die Schichtstruktur in den Untergrund erstreckt. So erkannten sie auch die getrennten Umrisse von Kometenkopf und –körper.
Schwerkraft-Modell bestätigt zwei Teile
Um auf Nummer sicher zu gehen, überprüften sie auch die Auswirkungen von Churys Schwerkraft. Schichten aus Staub und Geröll sollten sich immer in einem rechten Winkel zur Richtung der Schwerpunkt des Kometen ausrichten. Matteo und Kollegen erstellten darum zwei Computermodelle: Im ersten Fall gaben sie dem Kometenkern nur einen einzelnen Schwerpunkt im Halsbereich. Das zweite Modell behandelte Kopf und Körper mit je einem eigenen Schwerpunkt.
Das Muster der beobachteten Schichten passte besser zum zweiten Modell: „Das deutet darauf hin, dass sich die geschichteten Hüllen im Kopf und Körper unabhängig voneinander gebildet haben, bevor sich die zwei Objekte zusammenfügten“, schlussfolgert Massironi.
Urgestein des Sonnensystems
Aus dem Schichtenmuster können die Kometenforscher noch weitere Schlüsse über Churys Entstehungsgeschichte ziehen: „Es muss eine langsame Kollision gewesen sein, damit so geordnete Schichten bis in solche Tiefen erhalten bleiben“, sagt Massironi. Außerdem ist die Struktur der beiden Teile auffallend ähnlich. Das deutet darauf hin, dass sie sich zwar eigenständig, aber nach ähnlichen Mechanismen gebildet haben.
Dies passt wiederum zu anderen Kometen wie Tempel-1 und Wild-2, an denen frühere Missionen im Vorbeiflug ebenfalls einen schichtartigen Aufbau beobachtet haben. Die Zwiebelstruktur scheint also typisch für das Wachstum von Kometenkernen im frühen Sonnensystem gewesen zu sein. Dass die Schichten noch immer erhalten sind, bestätigt den Forschern zufolge, dass Kometen in der Tat ein Bild vom Urgestein des Sonnensystems liefern. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15511)
(ESA / DLR / Nature, 29.09.2015 – AKR)