Physik

Physiker schrumpfen Teilchenbeschleuniger

Prototyp demonstriert Machbarkeit von ultrakompakten Terahertz-Beschleunigern

Passt problemlos in eine Hand: Prototyp des neuen Beschleunigermoduls auf Terahertzbasis © DESY/ Heiner Müller-Elsner

Klein aber oho: Physiker haben den ersten Prototyp eines nur 1,5 Zentimeter langen Teilchenbeschleunigers konstruiert. Das Modul beschleunigt Elektronen mittels Terahertz-Strahlung und ist rund hundertfach kleiner als herkömmliche Synchrotron-Module. Solche ultrakompakten Beschleuniger könnte künftig für Anwendungen in der Materialforschung, der Medizin und Teilchenphysik sowie bei Röntgenlasern eingesetzt werden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Teilchenbeschleuniger werden heute nicht nur benötigt, um bei Kollisionen die Grundbausteine der Materie zu erforschen. Auch bei der Erzeugung von energiereichen Röntgen- und Elektronenstrahlen werden Beschleuniger gebraucht. Freie-Elektronen -Laser (FEL) erzeugen beispielsweise Laserblitze, indem sie schnelle Elektronen aus einem Teilchenbeschleuniger auf einen Slalomkurs schicken. In jeder Kurve geben die Elektronen dann Licht ab – den Laserblitz.

Terahertz statt Radiowellen

Üblicherweise wird in solchen Teilchenbeschleunigern elektromagnetische Strahlung im Hochfrequenzbereich von Radiowellen verwendet, beim Beschleuniger PETRA III am Deutschen Elektronen-Synchrotron beträgt dieser Wert beispielweise 500 Megahertz. Der Nachteil: Solche Anlagen sind sehr groß, im Falle des europäischen Röntgenlasers XFEL sind es drei Kilometer.

Doch es geht auch sehr viel kleiner, wie Emilio Nanni vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und seine Kollegen nun belegen. Sie haben den Prototyp eines Teilchenbeschleunigers entwickelt, der mit Terahertz-Strahlung funktioniert. Deren Wellenlängen liegen zwischen denen von Infrarotlicht und Mikrowellen und sind damit rund tausendmal kürzer als die Radiowellen der bisherigen Synchrotrone. „Der Vorteil: Alles wird tausendmal kleiner“, erläutert Seniorautor Franz Kärtner vom MIT.

Die Beschleunigung von Elektronen in einem herkömmlichen Synchrotron erfordert sehr viel größere Module. Abgebildet ist ein Resonator des Europäischen Freie Elektronen Lasers XFEL. © DESY

Nur gut einen Zentimeter lang

Für ihren Prototyp verwendeten die Forscher ein mikrostrukturiertes Beschleunigermodul in Form eines rund eineinhalb Zentimeter langen Röhrchens. Dieses dient als Wellenleiter und verkuppelt die eingespeisten Elektronen so mit der Terahertzstrahlung, dass die Elektronen von den Wellen optimal beschleunigt werden. Die Elektronen hatten beim Einspeisen eine Energie von 60 Kiloelektronenvolt, die gepulste Terahertzstrahlung stammte aus einem speziellen Laser.

Und tatsächlich: Die Energie der Teilchen erhöhte sich in diesem ersten Prototyp eines Terahertz-Beschleunigers um sieben Kiloelektronenvolt (keV). „Diese Beschleunigung ist noch nicht sehr stark, aber der Versuch belegt, dass dieses Prinzip in der Praxis funktioniert“, erläutert Koautor Arya Fallahi vom Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) in Hamburg. Kombiniert man mehrere Module miteinander, lassen sich nach Angaben der Forscher Beschleunigungen von bis zu einem Gigavolt pro Meter erreichen.

„Das Beste der beiden Welten“

Das liegt mehr als zehnfach über dem Wert, den die besten konventionellen Beschleunigermodule heute erreichen. Eine noch stärkere Beschleunigung erreichen nur die noch experimentellen Plasmabeschleuniger. Sie sind ebenfalls sehr viel kleiner als die herkömmlichen Giganten, benötigen allerdings deutlich stärkere Laser zum Betrieb als die Terahertz-Beschleuniger.

„Terahertz-Strahlung liefert uns das Beste der beiden Welten“, erklären Nanni und seine Kollegen. Auf der einen Seite ist die Wellenlänge ist noch lang genug, dass Wellenleiter mit konventionellen Maschinen hergestellt werden können. Auf der anderen Seite ist die Frequenz hoch genug, um Beschleunigungen im Gigavolt pro Meter Bereich zu erzielen.“

Anwendungen von Physik bis Medizin

Eingesetzt werden könnten die neuen Mini-Beschleuniger auf Terahertzbasis in gleich mehreren Bereichen. „Diese ultrakompakten Beschleuniger mit extrem kurzen Elektronenpulsen haben großes Potenzial und könnte Freie Elektronenenlaser, Linearbeschleuniger, Geräte zur Elektronendiffraktion, Röntgenquellen und auch die medizinische Therapie mit Röntgen- und Elektronenstrahlen transformieren“, so Nanni und seine Kollegen.

In den kommenden Jahren möchten die Physiker am DESY einen ersten kompakten Freie-Elektronen-Röntgenlaser (XFEL) auf Terahertz-Basis aufbauen. „Von so einem Gerät erwarten wir deutlich kürzere Röntgenpulse von unter einer Femtosekunde“, erläutert Kärtner. „Damit erhoffen wir uns neue Einblicke in extrem schnelle chemische Prozesse wie zum Beispiel die Photosynthese.“ Aber auch genauere Bilder von der Entstehung chemischer Bindungen und freien Molekülen sollen damit gelingen.

Der kompakte Röntgenlaser könnte zudem dazu dienen, um Pulse in großen Anlagen auszulösen und dadurch deren optische Qualität zu verbessern. Außerdem könnten bestimmte medizinische Abbildungsverfahren von den verbesserten Eigenschaften der neuen Röntgenquelle profitieren. (Nature Communications, 2015; doi: 10.1038/ncomms9486)

(Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, 07.10.2015 – NPO)

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