Wer betrügt, dem traut man nicht – auch Raben folgen diesem Grundsatz. Die Vögel merken sich, welche Artgenossen sie in einem Experiment um die verdiente Belohnung betrogen haben. Mit diesen Tieren arbeiten sie dann nicht mehr zusammen. Damit zeigen die Raben eine für Vögel völlig neue Ausprägung von kooperativem Verhalten, schreiben Wissenschaftler im Magazin „Scientific Reports“.
Puzzles lösen, Werkzeuge herstellen und benutzen – Raben und Krähen beherrschen diese Tricks ohne Probleme. Raben gelten dabei gleichermaßen als klug und gerissen: Sie stehlen anderen Raubtieren und auch Artgenossen die Beute, verstecken Futter und legen falsche Verstecke an, um Konkurrenten zu täuschen. Damit haben sie sich im Volksmund einen zwiespältigen Ruf erworben: Einerseits stehen sie für Klugheit, andererseits ist die Rede vom „diebischen Rabenaas“.
Dabei zeigen Raben auch ein ausgeprägtes Sozialverhalten und können auch zusammenarbeiten. Das tun sie zum Beispiel, wenn sie einem größeren Räuber die Beute streitig machen oder sich verteidigen wollen: „Wir wissen bereits, dass Raben in freier Wildbahn in der Lage sind miteinander zu kooperieren, wenn sie ihre Jäger gemeinsam mobben“, sagt Jorg Massen von der Universität Wien. Solche Zusammenarbeit ist bislang nur von einer Handvoll Arten wie Elefanten und Schimpansen bekannt.
Kooperation ohne Training
Der Kognitionsbiologe Massen und seine Kollegen haben näher untersucht, wie Raben ihre Kooperation aufeinander abstimmen. In dem Experiment mussten zwei Raben gemeinsam an den beiden losen Enden eines Seiles ziehen, damit sich eine Plattform mit zwei Stückchen Käse in ihre Reichweite bewegt. Zog nur ein Vogel an einem Ende, rutschte das Seil aus den Halterungen an der Plattform, und es gab keine Belohnung. „Ohne vorheriges Training haben die Raben diese Aufgabe durch Kooperation erfolgreich gelöst“, erzählt Massen.
Doch diese Teamarbeit funktionierte nicht immer reibungslos: Raben gehen zwar enge und lang anhaltende Freundschaften mit manchen Artgenossen ein, mit anderen verstehen sie sich dagegen weniger. Konnten sie ihren Teampartner nicht leiden, arbeiteten die Vögel nicht so gut zusammen, beschreibt Massen: „Mit befreundeten Vögeln kooperierten sie lieber als mit Feinden.“
Wer schummelt, wird boykottiert
Im Extremfall arbeiteten die Raben überhaupt nicht mehr miteinander. Dies geschah zum Beispiel, wenn einer der Vögel „schummelte“ und nicht nur sein Stück Käse nahm, sondern auch das Stück seines Mithelfers: Die Opfer solchen unfairen Verhaltens merkten sich das und boykottierten in der Folge die Zusammenarbeit mit diesen Betrügern.
Damit stellen die Raben erneut ihre außergewöhnliche Intelligenz unter Beweis: Bislang haben nur höher entwickelte Arten ein derartiges Zusammenspiel gezeigt, bei dem die Sozialstruktur die Kooperation beeinflusst. „Eine so ausgereifte Art und Weise, seinen Partner in Schach zu halten, kannte man bis jetzt nur von Menschen und Schimpansen „, fasst Massen zusammen. „Das stellt eine völlige Neuheit bei Vögeln dar.“ (Scientific Reports, 2015; doi: 10.1038/srep15021)
(Universität Wien, 07.10.2015 – AKR)