Bienen stehen auf den Koffeinkick zwischendurch – wie wir Menschen. Sie bevorzugen koffeinhaltiges Zuckerwasser gegenüber koffeinfreien Futterquellen, wie ein Experiment belegt. Die Insekten finden den Wirkstoff sogar so unwiderstehlich, dass sie selbst an versiegten Quellen weiter danach suchen. Da viele Pflanzen geringe Mengen Koffein in ihren Blüten anbieten, könnten sie die Bienen so regelrecht unter Drogen setzen und in ihrem Sinne manipulieren, vermuten Forscher im Fachjournal „Current Biology“.
Kaffee ist für viele Menschen der nötige Treibstoff für den Start in den Tag: Das darin enthaltene Koffein fördert das Gedächtnis und die Konzentration, es hilft bei Stress und schützt sogar die DNA. Allerdings hat übermäßiger Koffeinkonsum auch seine Risiken: Unsere innere Uhr gerät dadurch aus dem Takt, und Kaffee lässt uns möglicherweise schneller altern. Dies bringt jedoch nur wenige dazu, auf ihren Morgenkaffee zu verzichten. Und offenbar sind nicht nur Menschen empfänglich für dieses Hirndoping durch Koffein: Auch Bienen scheinen den Muntermacher zu lieben.
Koffein zieht Bienen unwiderstehlich an
Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass Bienen sich Düfte besser merken können, wenn sie unter dem Einfluss von Koffein stehen. Diese Ergebnisse legen nahe, dass daran das Belohnungszentrum des Gehirns beteiligt ist. Dieses ist aber auch verantwortlich für Suchterscheinungen. „Ich habe mich gefragt, wie Koffein das natürliche Verhalten der Bienen in der Natur beeinflussen würde“, sagt Margaret Jane Couvillon von der Universität Sussex, „besonders weil viele Pflanzen Koffein in niedrigen Dosen enthalten.“
Um diese Frage zu klären, versetzten Couvillon und ihre Kollegen Zuckerlösungen mit unterschiedlich hohen Mengen an Koffein und boten sie sammelnden Honigbienen an. Sie fanden heraus, dass das Koffein die Bienen zu stärkerem Sammeln anregte. Bienen, die vom koffeinierten Zuckerwasser genascht hatten, verständigten außerdem verstärkt ihre Artgenossinnen, wo das Koffein zu finden war. Den sogenannten Schwänzeltanz, mit dem die Bienen die Richtung einer Futterquelle angeben, führten sie viermal häufiger auf als bei Zuckerwasser ohne Koffein.
Drogensucht bei Bienen?
Die Bienen hielten auch dann an den Futterstellen mit Koffein fest und kehrten zu diesen zurück, nachdem dort kein Zuckerwasser mehr zu holen war. Außerdem suchten sie weniger nach alternativen Futterquellen. „Wir waren überrascht, welch durchgängigen Effekt das Koffein auf die Nahrungssuche und die Rekrutierung hatte“, sagt Koautor Roger Schürch von der Universität Bern. „Insgesamt bindet Koffein den Bienenstock mehr an eine Futterquelle, als wenn eine vom Zuckergehalt her gleichwertige Futterquelle angeboten wird.“
Da der Nektar vieler Pflanzen geringe Mengen an Koffein enthält, nehmen die Forscher an, dass die Pflanzen auf diese Weise die Bienen dazu bringen, ihre Blüten zu bevorzugen – selbst wenn sie nur minderwertigen Nektar anbieten. „Die Pflanzen setzen die Bienen gewissermaßen unter Drogen und gaukeln ihnen eine höhere Qualität des Nektars vor“, meint Schürch. „Die übertölpelten Bienen sammeln und rekrutieren entsprechend mehr.“
Pflanzen manipulieren Bienen mit Chemie
Dies ist nicht der erste Hinweis auf eine „Drogensucht“ bei Honigbienen: Auch die umstrittenen Insektenvernichter aus der Klasse der Neonicotinoide machen Bienen offenbar abhängig und verändern deren Verhalten.
Die Forscher um Couvillon und Schürch wollen nun herausfinden, ob die Pflanzen tatsächlich den Zuckergehalt des Nektars senken, wenn sie stattdessen Koffein oder ähnlich wirksame Stoffe anbieten. Denn Koffein ist nicht der einzige Zusatz, den die Bienen mit dem Nektar aufsammeln. Dadurch müssten die Bienen unter Umständen eine geringere Honigproduktion in Kauf nehmen, da sie weniger zuckerreichen Nektar bekommen.
Dies zeige, dass Interessen der Pflanzen und ihrer Bestäuber nicht immer deckungsgleich sind, meinen die Wissenschaftler: „Es wäre möglich, dass Chemie ein gängiger Weg ist, wie eine Pflanze die Oberhand über die Bestäuber gewinnen und sie für ihre Zwecke benutzen kann.“ (Current Biology, 2015; doi: 10.1016/j.cub.2015.08.052)
(Universität Bern, 16.10.2015 – AKR)