Gewinner und Verlierer: Während einige heimische Vogelarten von wärmeren Wintern profitieren, macht das veränderte Klima vor allem Zugvögeln zu schaffen. Langzeit-Beobachtungen zeigen, wie der Klimawandel in den vergangenen Jahren bereits die europäischen Vogelbestände verändert hat. Manche Arten könnten demnach bald gar nicht mehr bei uns anzutreffen sein und brauchen besonderen Schutz, meinen Biologen im Magazin „Global Change Biology“.
Den Birkenzeisig erkennt man leicht an seinem charakteristischen roten Fleck oberhalb des Schnabels – antreffen kann man den kleinen Vogel in Island, Skandinavien, Irland, Schottland und im Alpenraum. Im Winter kommen die Zeisige aus dem Norden nach Mittel- und Osteuropa – noch. „Wie lange der Birkenzeisig noch zu uns kommt, wissen wir nicht“, sagt Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klimaforschungszentrum in Frankfurt am Main.
Wärmere Winter, längere Brutzeiten
Denn dieser kleine Vogel gehört zu den Verlierern des Klimawandels, die Böhning-Gaese zusammen mit internationalen Kollegen identifiziert hat. Über die internationalen Organisationen „BirdLife International“ und „European Bird Census Council“ hatten die Forscher Zugriff auf Datensätze von 50.000 freiwilligen Vogelbeobachtern. Daran konnten sie untersuchen, wie sich die Verbreitung von 51 Vogelarten aus 18 europäischen Ländern im Zeitraum von 1990 bis 2008 verändert hat. „Ein Paradebeispiel, wie gut die Zusammenarbeit von ‚Citizen Science‘ und akademischer Wissenschaft funktionieren kann“, freut sich Böhning-Gaese.
Die wärmer werdenden Winter bringen der Studie zufolge Vorteile für sogenannte „Standvögel“, also solche Arten, die im Winter nicht in wärmere Gegenden ziehen. Dazu gehören beispielsweise die Gartenbaumläufer und die Türkentauben. Durch steigende Temperaturen verlängern sich auch die Brutzeiten im Frühjahr, was sich positiv auf Arten wie den Stieglitz oder die Heidelerche auswirkt. Diese ziehen mit den Jahreszeiten nur über kurze Strecken.
Überwiegend negative Auswirkungen
„Überwiegend wird sich der Klimawandel aber wohl negativ auf die europäische Vogelwelt auswirken“, meint Böhning-Gaese. Vor allem in kälteren Regionen verbreitete Vögel wie der Haussperling, die Raben- und Nebelkrähe, der Wiesenpieper und verschiedene Zeisigarten sind bedroht. Erschwerend kommt die intensivere Landwirtschaft in vielen europäischen Ländern hinzu – besonders für Zugvögel, die zum Teil zwei Kontinente durchqueren, fehlen zunehmend Orte, an denen sie rasten können.
Über diese „Langstreckenzieher“ lassen sich nur extrem schwer Vorhersagen treffen. Steinschmätzer oder Gartenrotschwanz, die erst spät im Jahr in Europa eintreffen, profitieren zwar hier von wärmeren Jahreszeiten. Gleichzeitig sind sie aber auch vom Klimawandel in Afrika betroffen. Welche Faktoren sich stärker auswirken, lässt sich bis jetzt nur schwer absehen. Allerdings zeigen die Beobachtungen bereits einen Rückgang der Bestände unter diesen Arten. „Die Vögel benötigen daher besonderen Schutz“, empfiehlt Böhning-Gaese.
Die Studie zeigt zudem, dass die Auswirkungen des Klimawandels eng mit den Brutzeiten der verschiedenen Vogelarten zusammenhängen. Biologin Böhning-Gaese meint hierzu: „Um solche Zusammenhänge zu verstehen, sind Langzeit-Studien genauso wichtig wie kurzfristige, jahreszeitliche Trends.“
(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 26.10.2015 – AKR)