Verborgene Mitbewohner: Auf unserer Haut leben nicht nur Unmengen von Bakterien, sondern auch unzählige Viren, wie Forscher entdeckt haben. 90 Prozent davon sind der Medizin bisher völlig unbekannt und wurden erst jetzt anhand ihrer DNA aufgespürt. Zwar befallen die meisten dieser Viren nicht uns, sondern die Bakterien auf unserer Haut, dennoch kann ihre Anwesenheit gesundheitliche Folgen haben, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „mBio“ berichten.
Auf und in unserem Körper leben mehr Mikroorganismen, als wir Zellen besitzen – und dieses Mikrobiom hat einen erheblichen Einfluss auf unsere Gesundheit und sogar unsere Stimmung und Vorlieben. Doch während die Bakterien und Pilze unseres Mikrobioms schon recht gut untersucht sind, weiß man über unsere viralen Mitbewohner kaum etwas.
Nadel im Heuhaufen
„Über die Viren auf unserer Haut wurde bisher kaum geforscht – auch, weil dies erhebliche technische Herausforderungen mit sich bringt“, erklärt Seniorautorin Elizabeth Grice von der University of Pennsylvania in Philadelphia. „Ein Hautabstrich beispielsweise wird hauptsächlich menschliche und bakterielle DNA enthalten und nur eine winzige Menge an viralem genetischem Material – die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.“
Um diese winzige Menge an viraler DNA aufzuspüren, haben Grice und ihre Kollegen Proben von acht Hautstellen bei 16 Probanden genommen und diese mit speziellen Analysemethoden untersucht, die gezielt virale Partikel identifizieren können. Neu auch: Statt die gefundenen Sequenzen einfach mit der in Datenbanken katalogisierten DNA von bekannten Viren zu vergleichen, nutzten die Forscher eine Technik, die auch das genetische Material von noch unbekannten Viren aufspüren kann.
90 Prozent sind noch völlig unbekannt
Und sie wurden fündig – und das in überraschendem Maße. Denn nur rund zehn Prozent der auf der Haut der Teilnehmer entdeckten viralen DNA stammte von bekannten Viren, der große Rest aber kam von bisher völlig unbekannten, in keiner Datenbank erfassten Virenformen. „Mehr als 90 Prozent gehörte zur viralen Dunklen Materie, wie wir es nennen – es ist virales genetisches Material, wurde bisher aber noch nicht taxonomisch eingeordnet“, erklärt Grice.
Wie sich zeigte, variiert der Virenbefall je nach Körperteil. Stirn, Handfläche, Achselhöhle, Nabel und andere Hautstellen haben demnach nicht nur eine jeweils typische Bakterienpopulation, auch die dort vorkommenden Viren sind jeweils unterschiedlich. Eine besonders große Virenvielfalt fanden die Wissenschaftler dabei ausgerechnet in der menschlichen Armbeuge – einer Körperregion, die bei Standardabstrichen oft ausgelassen wird.
Einfluss auf unsere Gesundheit
Das häufigste bekannte Virus auf der Haut der Probanden war das Humane Papilloma Virus (HPV), wie die Forscher berichten. Je nach Stamm verursacht dieser Erreger harmlose Hautwarzen, kann aber beispielsweise in der Gebärmutterschleimhaut oder der Speiseröhre auch Krebs auslösen. Viele der noch unbekannten Viren scheinen dagegen zu den Phagen zu gehören – Viren, die Bakterien befallen.
Damit erscheinen diese Viren auf den ersten Blick für uns harmlos. Doch ganz so simpel ist es nicht, betonen die Forscher. Denn selbst wenn wir Menschen nicht ihr Wirt sind, können diese Phagen unsere Gesundheit beeinflussen. Indem sie unsere Hautbakterien befallen, können sie deren Verteilung und Verhalten verändern, wie Grice und ihre Kollegen erklären. So kann ein Phage beim Injizieren seines Erbmaterials Gene übertragen, die das Bakterium gegen Antibiotika resistent machen oder es zu einem aggressiveren Pathogen mutieren lassen.
„Dringender Forschungsbedarf“
„Angesichts ihrer potenziellen Effekte auf unsere Haut und unsere Hautbakterien müssen wir diese Viren dringend besser verstehen“, sagt Grice. Um die Erforschung der viralen „Dunklen Materie“ zu erleichtern und voranzubringen, haben sie und ihre Kollegen die Algorithmen veröffentlicht, die sie eigens zum Aufspüren unbekannter viraler DNA entwickelt haben. „Sie sind frei verfügbar, so dass andere ihre eigenen Studien durchführen können oder unserer Ergebnisse reproduzieren“, betont Grice.
Die Forscher wollen als nächstes ihre neue Methodik nutzen, um die Variabilität der Hautviren näher zu untersuchen. Zudem wollen sie herausfinden, wie sich die Virenpopulation ändert, wenn die Haut beispielsweise der Sonne ausgesetzt ist oder wenn der Mensch Antibiotika einnimmt. (mBio, 2015; doi: 10.1128/mBio.01578-15)
(Perelman School of Medicine at the University of Pennsylvania, 04.11.2015 – NPO)