Dank neuer Daten der NASA-Raumsonde MAVEN haben Forscher einige Rätsel der Marsatmosphäre gelöst. So sind Sonnenstürme wahrscheinlich schuld daran, dass der Rote Planet einen Großteil seiner Gashülle verloren hat. Und sie verursachen auch die diffusen Polarlichter auf der Nordhalbkugel des Mars, wie die Wissenschaftler in gleich vier Artikeln im Fachmagazin „Science“ berichten. Die neuen Daten klären zudem, woher der feine Staub stammt, der in bis zu tausend Kilometern Höhe um den Roten Planeten kreist.
Auch wenn gleich mehrere Raumsonden den Mars umkreisen und Daten liefern – einige Phänomene in seiner Gashülle geben trotzdem noch Rätsel auf. Umso gespannter warteten Planetenforscher in aller Welt auf die Daten der im Herbst 2014 am Mars angekommenen NASA-Sonde Mars Atmosphere and Volatile Evolution (MAVEN). Und ihre Hoffnung hat sich erfüllt: Die ersten Auswertungen der Sondendaten geben ganz neue Einblicke in die dynamische Gashülle unseres Nachbarplaneten.
Staub aus dem Weltall
Eines der bisher rätselhaften Phänomene sind Riesenwolken und Staubschleier, die 200 bis 1.000 Kilometer hoch über der Marsoberfläche schweben. Das Seltsame daran: „Es gibt keinen bisher bekannten physikalischen Prozess, der Staubteilchen von einem bis 20 Mikrometern Größe so hoch katapultieren kann“, erklären Laila Andersson von der University of Colorado in Boulder und ihre Kollegen. Denn selbst die stärksten Staubstürme des Mars schaffen es nicht, Staub mehr als rund 150 Kilometer hoch zu schleudern.
Woher also kommt der rätselhafte Staub? Anhand der MAVEN-Daten konnten die Forscher eine mögliche Quelle direkt ausschließen: die beiden Marsmonde Phobos und Daimos. „Staub von den Monden müsste auf ihre Bahnen begrenzt sein und daher einen doughnutförmigen Ring um den Marsäquator bilden“, so die Wissenschaftler. Doch der marsianische Staubschleier ist nahezu gleichmäßig über den Planeten verteilt.
Nach Ansicht der Forscher kommt daher nur eine Quelle in Frage: interplanetarer Staub. Die Größe der Partikel, ihre Geschwindigkeit von rund 18 Kilometern pro Sekunde und ihre Verteilung stimmen demnach gut mit einem Ursprung im All überein. Wie sie errechneten, treffen immerhin 0,1 bis drei Kilogramm interplanetarer Staub pro Sekunde auf die Marsatmosphäre. Zum Vergleich: Auf der ein Drittel größeren Erde sind es zwischen 0,6 und 30 Kilogramm pro Sekunde.
Offene Feldlinien erzeugen diffuse Polarlichter
Und auch ein weiteres Rätsel des Roten Planeten haben die MAVEN-Daten nun gelöst: die Ursache der ungewöhnlich diffusen Polarlichter. Diese erstrecken sich über nahezu die gesamte Nordhalbkugel und leuchten auch dort, wo der Mars kein lokales Magnetfeld besitzt. Denn nur an einigen Stellen der Marskruste bilden lokale Feldreste geschlossene Bögen. An anderen Stellen ist das Magnetfeld jedoch kaum vorhanden.
Nick Schneider von der University of Colorado und seine Kollegen haben nun herausgefunden, dass die diffusen Polarlichter des Mars vor allem dann auftreten, wenn ein Sonnensturm den Planeten trifft – ähnlich wie auf der Erde. Als sich ein solcher energiereicher Teilchenstrom im Dezember 2014 ereignete, registrierte die MAVEN-Sonde fünf Tage lang ausgedehnte Auroren auf der Nordhalbkugel des Planeten. Die Stärke der Polarlichter hatte dabei einen klar erkennbaren Peak in rund 70 Kilometern Höhe.
Wie die Forscher erklären, spricht dies dafür, dass sehr energiereiche, stark beschleunigte Partikel in die Gashülle eindringen– Teilchen, die von der Sonne in rasendem Tempo ausgeschleudert wurden. Weil an den meisten Stellen des Mars nur schwache, offene Feldlinien senkrecht auf der Oberfläche stehen, leiten diese die Teilchen des Sonnensturms direkt in die dünne Atmosphäre hinein. „Das spricht dafür, dass diffuse Auroren praktisch überall auf dem Mars vorkommen könnten“, so Schneider und seine Kollegen.
Die verlorene Gashülle
Die Sonnenstürme haben aber noch sehr schwerwiegendere Folgen für die Marsatmosphäre, wie Bruce Jakosky von der University of Colorado und seine Kollegen berichten. Denn die Ionosphäre des Planeten verliert bei jedem größeren Sonnensturm beträchtliche Mengen an Gas – immerhin rund 100 Gramm in jeder Sekunde. „Wie beim ständigen Diebstahl von ein paar Münzen aus der Kasse summiert sich dieser Verlust im Laufe der Zeit erheblich“, erklärt Jakosky.
Im Laufe der Jahrmillionen könnte diese Erosion durch den Sonnenwind die einst dichte Marsatmosphäre immer weiter ausgedünnt haben. Mit dem schwindenden Gas aber veränderte sich auch das marsianische Klima – aus dem lebensfreundlichen Planeten mit Seen, Flüssen und vielleicht sogar Ozeanen wurde eine kalte, karge Wüste. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aad0398; doi: 10.1126/science.aad0313; doi: 10.1126/science.aad0459)
(Science, NASA, 06.11.2015 – NPO)