Geowissen

Plattentektonik dank Mantelplumes?

Computermodell zeigt möglichen Startmechanismus für die Kontinentaldrift

Nachbarplanet Venus - ohne Plattentektonik. Sah die junge Erde vor dem Einsetzen der Prozesse ähnlich aus? © NASA / JPL

Starthilfe für die Erdplatten: Heißes Gestein aus dem Erdmantel schmolz wahrscheinlich Risse in die Erdkruste und ließ so die ersten tektonischen Platten entstehen. Ein neues Computermodell beschreibt so erstmals hochaufgelöst, wie und warum der Prozess der Plattentektonik auf der Erde erst beginnen konnte. Das in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichte Modell erklärt auch, warum die Plattentektonik in unserem Sonnensystem einzigartig für die Erde ist.

Die Erde ist der einzige Planet im Sonnensystem, der eine aktive Plattentektonik aufweist: Ihre Oberfläche ist aus beweglichen Gesteinsplatten zusammengesetzt, die sich ständig verschieben, zusammenstoßen, auseinander reißen und in den darunter liegenden Erdmantel abtauchen. Als Motor dieses Systems ist genau dieses Abtauchen bekannt: Wenn sich an einer Subduktionszone eine Platte unter eine andere schiebt, zieht das Gewicht der versinkenden Platte den Rest langsam, aber stetig nach.

Plattentektonik im Computermodell

Doch das erklärt nicht, wie die Plattentektonik auf der jungen Erde überhaupt erst in Gang kam. Und warum startete dieser Prozess nur auf der Erde, nicht aber auf anderen Gesteinsplaneten wie der Venus? Experimentell lässt sich dieser Vorgang natürlich nicht wiederholen, und aus der Frühzeit der Erde sind nur extrem spärliche geophysikalische oder geologische Daten verfügbar. In Diamanten konservierte Mineralien lassen zumindest darauf schließen, dass die Plattentektonik vor rund drei Milliarden Jahren einsetzte.

Auch verraten die heutigen Platten nichts über ihre Anfänge: „Die modernen tektonischen Bewegungen lassen kaum Rückschlüsse darauf zu, was diese in Gang gesetzt hat“, sagt Taras Gerya von der Eidgenössisch Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich). „Computermodelle sind deshalb unser einziger Weg, um Vorgänge in der frühen Erdgeschichte nachzustellen und zu verstehen.“ Gemeinsam mit Kollegen entwickelte der Geophysiker darum neue Modelle, die einen plausiblen Ursprung der Plattentektonik darstellen. Die darin berechneten Prozesse lassen sich darin hochaufgelöst und dreidimensional untersuchen.

Mantelplumes als Auslöser

Auslöser der Plattentektonik waren demnach die sogenannten Mantelplumes. Dabei handelt es sich um heißes, teilweise aufgeschmolzenes Gestein, das vom Kern der Erde durch den Mantel bis dicht unter die Oberfläche aufsteigt. Dieses heiße Gestein schwächt die Lithosphäre, also die Erdkruste und den direkt darunter liegenden festen Teil des Mantels. Eine solche Schwachstelle ist dem Computermodell zufolge die Voraussetzung für einsetzende Plattentektonik, denn dort können die ersten Subduktionszonen entstanden sein.

Der aufsteigende Mantelplume fächert sich unterhalb der Lithosphäre pilzförmig auf. In der Lithosphäre bildet sich eine kreisrunde, sich ausdünnende Schwachstelle von mehreren hundert Kilometern Durchmesser. Der Materialnachschub aus den Tiefen des Erdmantels dehnt diesen Fleck immer weiter. „Um einen Ring ausweiten zu können, muss man ihn zerbrechen“, veranschaulicht Gerya: Irgendwann reißt die geschwächte Haut der Erde an den Rändern der Schwachstelle ein.

Computermodell: Blick im von unten auf eine gebrochene Schwachstelle in der Lithosphäre der Erde (blau) und die abtauchenden Plattenränder. Neue Lithosphärenplatten (rot) bilden sich in Folge der Interaktion eines Mantelplumes mit der Lithosphäre. © GFZ

Die Risse pflanzen sich schließlich in der Lithosphäre fort. Große Schollen davon tauchen in den weichen Mantel ab, die ersten Plattenränder entstehen. Die Zugkraft, die durch das Abtauchen dieser Schollen entsteht, setzt dann die Platte in Bewegung.

Wasser als Schmiermittel

Allerdings verrät dieser Vorgang noch nicht, was die Erde einzigartig macht. Denn auch unser Nachbarplanet Venus hat wahrscheinlich aktive Mantelplumes in seinem Inneren. Riesige, kraterähnliche Strukturen deuten auf die erzeugten Schwachstellen der Lithosphäre hin – Spuren von Plattentektonik zeigt die Venus dagegen nicht.

Aber unsere Erde hat etwas, das auf der Venus fehlt: flüssiges Wasser. Sinkt eine ozeanische Platte auf der Erde unter eine andere tektonische Platte, wirkt dazwischen eingeschlossenes Meerwasser wie ein Schmiermittel, das die Platten über- und untereinander rutschen lässt. „Wasser ist als Schmiermittel eine unabdingbare Notwendigkeit, damit eine sich selbst erhaltende Subduktion in Gang kommt“, sagt Gerya.

Dicke Kruste für die ersten Platten

Ein weiterer Unterschied zwischen den Planeten ist die Stärke der Lithosphäre. Die Kruste der jungen Erde war zum Zeitpunkt der einsetzenden Plattentektonik deutlich stärker abgekühlt und damit dicker als die der Venus. Eine dünnere und weichere Lithosphäre reißt dem Computermodell zufolge jedoch nicht auf und lässt so keine Plattenränder entstehen. Auf der frühen Erde dagegen entstanden ausreichend schwere Schollen, die in den Mantel und unter die übrige Lithosphäre sanken, und so die ersten tektonischen Platten bildeten.

Wahrscheinlich war auf der Erde nicht ein einziger Mantelplume für den Beginn der Plattentektonik verantwortlich. Stattdessen wirkten viele dieser aufsteigenden Strömungen zusammen und einige dieser plattentektonischen Fenster vereinigten sich dann zu einem globalen Prozess. Durch die Aktivität der Plumes entstand so schließlich das heutige Mosaik der Erdplatten. „Unsere neuen Modelle erklären die Entstehung der Plattentektonik sehr plausibel“, schließt Geophysiker Gerya. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15752)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich / Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, 12.11.2015 – AKR)

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