Verknäulte Spaghetti und gekämmte Feldlinien: Zum ersten Mal ist Astronomen gelungen, das Magnetfeld direkt am Ereignishorizont unseres Schwarzen Lochs zu beobachten. Dieser Blick tief ins Herz der Milchstraße enthüllte, dass es dort sowohl chaotisch verknäulte als auch ungewöhnlich geordnete Magnetfeld-Bereiche gibt. Noch gäbe es gleich mehrere Effekte, die dies erklären könnten. Welche zutrifft, müssen nun weitere Beobachtungen zeigen, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.
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Supermassereiche Schwarze Löcher sitzen im Herzen der meisten Galaxien – auch im Zentrum unserer Milchstraße. Zwar lässt es sich nicht direkt abbilden, aber es macht sich immer wieder durch energiereiche Strahlenausbrüche bemerkbar und indem es die Bahnen von Sternen und Gaswolken beeinflusst. Die Rotation eines solchen Schwarzen Lochs erzeugt energiereiche Materiestrahlen oder Jets, die tausende von Lichtjahren in All hinaus reichen und Galaxien komplett umformen können.
Als Antriebsmotor dieser kosmischen Kraftwerke gelten die Magnetfelder des Schwarzen Lochs. „Die Existenz solcher Magnetfelder wurde seit langem vorhergesagt, aber keiner hat sie bis jetzt nachweisen können“, erklärt Shep Doeleman vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. Besonders der Nachweis solcher Felder in unmittelbarer Nähe des Ereignishorizonts des Schwarzen Lochs war bisher unmöglich.
Eine erdumspannende Radioantenne
Dank eines globalen Netzwerks von Radioteleskopen ist dies nun erstmals gelungen. Die im Event-Horizon-Teleskop (EHT) verbundenen Antennen bilden gemeinsam ein Teleskop fast von Erdgröße. Dadurch erreichen sie in Millimeter-Wellenlängen eine Auflösung von 15 Mikrobogensekunden – das entspricht von uns aus gesehen der Größe eines Golfballs auf dem Mond. Das Teleskop macht damit nicht nur Details in der polarisierten Radiostrahlung bei hoher Winkelauflösung sichtbar, sondern auch Fluktuationen im Magnetfeld auf kurzen Zeitskalen.
Selbst mit dieser hohen Auflösung gelangen die Beobachtungen jedoch nur, weil das Schwarze Loch selbst mithalf: Das 25.000 Lichtjahre entfernte Sagittarius A* oder kurz Sgr A*, hat die Masse von vier Millionen Sonnen, doch sein Ereignishorizont ist kleiner als die Umlaufbahn des Merkur. Nur weil die enorme Schwerkraft des extrem kompakten Objekts das Licht krümmt und so wie eine vergrößernde Gravitationslinse wirkt, konnten die Astronomen die Struktur des Magnetfelds untersuchen.
Verknäulte Spaghetti
Das Ergebnis: Wie sich zeigt, bilden die Magnetfelder in einigen Bereichen nahe der Zentralquelle eine sehr chaotische Struktur, mit verwirbelten Schleifen und Windungen in der Art von miteinander verflochtenen Spaghetti. Überraschenderweise aber gibt es in der inneren Region Bereiche des Magnetfelds mit einer sehr geordneten Struktur. Hier verläuft die Polarisierung einheitlich in Ostwest-Richtung, wie die Forscher berichten.
Die Messungen konnten zudem belegen, das Magnetfeld ständig in Bewegung ist und in Zeitskalen von nur rund 15 Minuten fluktuiert. „Unsere Messungen zeigen, dass das Zentrum unserer Milchstraße ein viel dynamischerer Ort ist als wir uns das bis jetzt vorstellen konnten“, sagt Erstautor Michael Johnson vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics. „Die Magnetfelder tanzen förmlich über den gesamten Bereich.“
Ursache der geordneten Bereiche noch unklar
Noch haben die Astronomen zwar nicht ausreichend Daten, um die Magnetfelder am Ereignishorizont bildlich darzustellen. „Aber schon jetzt geben uns die Daten reiche geometrische Einblicke“, betonen sie. „Wir blicken nun erstmals in das magnetisierte Herz des zentralen Motors unserer Galaxie.“
Warum ein Teil des Magnetfelds von Sagittarius A* so geordnet ist, wissen die Forscher noch nicht. Allerdings stimmt diese Beobachtung recht gut mit verschiedenen theoretisch vorhergesagten Prozessen überein: „Selbst inmitten von magnetisch getriebenen Instabilitäten und einer turbulenten Akkretion gibt es mehrere Effekte, die solche geordneten Felder nahe dem Ereignishorizont erzeugen können“, erklären die Astronomen. Welcher davon hier zutrifft, muss nun noch geklärt werden. (Science, 2015; doi: 10.1126/science.aac7087)
(Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, 04.12.2015 – NPO)