Rätselhaftes Verschwinden: Es war doch nicht das Klima, das die Wikinger vor gut 600 Jahren aus Grönland vertrieb. Denn wie Forscher nun belegen, gab es dort weder eine mittelalterliche Warmzeit noch eine „Kleine Eiszeit“. Stattdessen war es bei Ankunft der Wikinger auf Grönland schon genauso kalt wie 400 Jahre später bei ihrer endgültigen Abreise, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Science Advances“ berichten. Was die Wikinger dann zur Aufgabe ihrer Siedlungen brachte, bleibt rätselhaft.
Die Wikinger waren meisterhafte Seefahrer. In ihren relativ primitiven Booten überquerten sie dank einfacher Navigationshilfen schon vor mehr als tausend Jahren den Atlantik und kamen bis nach Kanada. Angeführt von Erik dem Roten gründeten sie zudem Siedlungen an der Westküste Grönlands, in denen im Laufe der Zeit mehrere tausend Wikinger lebten, Vieh hielten und Walrösser jagten. Doch zwischen 1360 und 1460 endete dies plötzlich: Die Wikinger gaben ihre Dörfer auf und verschwanden für immer aus Grönland.
Vertrieben durch die Kälte?
Aber warum? Lange Zeit galt das Klima als der Schuldige. Denn die Ankunft der Wikinger auf Grönland fiel mit einer besonders milden Klimaphase in Europa zusammen, dem mittelalterlichen Klimaoptimum. Ab dem 15. Jahrhundert jedoch – ungefähr um die Zeit, als die Wikinger Grönland verließen – folgte in Europa und Nordamerika die Kleine Eiszeit: Ein Temperatursturz, der ab dem 15. Jahrhundert zu kühlen, regenreichen Sommern und frostigen, langen „Hungerwintern“ führte.
Sollte diese Kleine Eiszeit die gesamte Nordhalbkugel betroffen haben, dann hätte dies die Lebensbedingungen der Wikinger erheblich verschlechtert: Die Gletscher rückten vor, es wurde selbst im Sommer kaum warm genug für den Anbau von Pflanzen und das Meereis versperrte die freie Fahrt auf den Ozean hinaus. Gängiger Theorie nach soll daher diese Abkühlung die Wikinger zur Aufgabe ihrer Siedlungen bewegt haben – oder doch nicht?