Überraschend aktiv: Der Zwergplanet Ceres ist in mancher Hinsicht verblüffend kometenähnlich. Denn seine rätselhaften weißen Flecken bestehen aus Salz und Wassereis, wie neue Daten der NASA-Raumsonde Dawn nahelegen. Das Wassereis in den Flecken verdampft bei Erwärmung durch die Sonne und bildet sichtbare Dunstwolken. Ceres ist damit das erste größere Objekt im Asteroidengürtel, das ein solches kometenähnliches Ausgasen zeigt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Der Zwergplanet Ceres erscheint auf den ersten Blick eher unspektakulär: einfach nur rund und mit vielen Kratern übersäht. Doch das täuscht, wie Aufnahmen der NASA-Raumsonde Dawn belegen. Sie ist seit März 2015 bei diesem größten Himmelskörper im Asteroidengürtel zu Besuch. So zeigten die Bilder einen seltsam pyramidenförmigen Berg, ungewöhnlich glatte Ebenen im Inneren von Kratern und auffallende weiße Flecken.
130 weiße Flecken – mindestens
Warum der Ceres diese weißen Flecken besitzt und woraus sie bestehen, war bisher unbekannt. Doch Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und seine Kollegen haben jetzt eine mögliche Antwort gefunden. Für ihre Studie werteten sie neue Daten der Dawn-Raumsonde aus, darunter Spektraldaten und hochaufgelöste Aufnahmen der Oberfläche.
Wie sich zeigte, kommen die weißen Flecken tatsächlich nahezu überall auf dem ansonsten eher dunklen Zwergplaneten vor. „Wir haben mehr als 130 helle Flecken auf Ceres gezählt“, berichten die Forscher. „Die meisten von ihnen stehen in Verbindung mit Einschlagskratern.“ Die Helligkeit der Flecken liege etwa zwischen der von hellem Beton und Meereis.
Hydratisiertes Salz
Aber woraus bestehen die Flecken? Das untersuchten die Forscher am Beispiel des prominentesten weißen Flecks, einem rund zehn Kilometer großen Gebiet im Occator-Krater. Hier ist der Untergrund mit einem hellen Material bedeckt, durch das sich feine dunkle Risse ziehen. Aus den Spektraldaten dieses Gebiets ermittelten die Wissenschaftler, dass drei mögliche Materialien in Frage kommen: Wassereis, eisenarme Tonminerale oder Salze.
Um herauszufinden, welches davon die weißen Flecken auf Ceres bilden könnte, verglichen die Forscher die Spektraldaten der Dawn-Sonde mit denen verschiedenster Materialien, die sie im Labor untersuchten. Ihre Schlussfolgerung: „Der helle Fleck im Occator-Krater passt am besten zu sechsfach hydratisiertem Magnesiumsulfat“, so Nathues und seine Kollegen. Solche Minerale kommen auch auf der Erde vor – nicht selten am Rande von Salzseen.
Ausgasend wie ein Komet
Aber noch etwas fiel auf: „Auf einigen unserer Aufnahmen lässt sich zudem ein Dunstschleier über dem Kraterboden erkennen“, berichtet Nathues. Der Dunst tritt in einem täglichen Rhythmus immer dann auf, wenn Sonnenlicht den Kraterboden erreicht. In dem weißen Fleck muss daher neben dem Salz auch Wassereis enthalten sein. „Offenbar verdampft dort Wasser und trägt kleine Teilchen mit sich“, so der Forscher weiter.
Dieser Prozess erinnert damit an das Ausgasen von Kometen, wenn sie den sonnennahen Teil ihrer Umlaufbahn passieren. Er verläuft auf Ceres aber eher beschaulich und nicht-eruptiv – eher wie ein langsames Ausdünsten als wie eine Eisfontäne. Dieses Ausgasen aber könnte erklären, warum das Weltraumteleskop Herschel Anfang 2014 von Ceres aufsteigenden Wasserdampf detektierte: Wahrscheinlich war es dieser, von den weißen Flecken freigesetzte Dunst.
Einzigartig im Asteroidengürtel
Ceres ist damit ein absolutes Novum im Asteroidengürtel: „Ceres ist der erste große Himmelskörper im Haupt-Asteroidengürtel, der eine solche kometenähnliche Aktivität zeigt“, konstatieren die Wissenschaftler. Denn bisher galt dieser Bereich des Sonnensystems als zu trocken und eisarm, um ein solches Verhalten zu erlauben. Doch die Entdeckung des Salz-Eis-Gemischs in den weißen Flecken des Ceres widerlegt dies nun.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich unterirdisches Eis auch im vergleichsweise sonnennahen Asteroidengürtel halten konnte“, so Nathues. „Die oberflächliche Gesteinsschicht schützt es vor dem Einfluss der Sonne.“ Wird dann die isolierende Deckschicht durchbrochen, beispielsweise durch den Einschlag eines Meteoriten, legt dies das Salz-Eisgemisch frei und die Ausgasung beginnt.
Dieser kometenähnliche Prozess könnte zudem jüngste Annahmen bestätigen, nach denen die Grenze zwischen Asteroiden und Kometen weniger scharf ist als lange angenommen. Denn 2013 entdeckten Astronomen im Asteroidengürtel einen Asteroiden mit mehreren Schweifen – etwas, das sonst nur Kometen besitzen. Und kurz zuvor spekulierten Forscher aufgrund neuer Daten darüber, ob in dieser Zone zwischen Mars und Jupiter vielleicht sogar tausende erloschene Kometen kreisen. (Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15754)
(Nature, 10.12.2015 – NPO)