Klima

Grönland: Übersättigte Gletscher verlieren Speicherkapazität

Das Schmelzwasser des grönländischen Eisschildes fließt schneller ab als gedacht

Der Schmelzwasserfluss auf dem grönländischen Eisschild. © Geocenter Denmark

Speicherkapazität am Limit: Die oberen Schichten des grönländischen Eisschildes können weniger Schmelzwasser aufnehmen als angenommen. Wie Forscher beobachtet haben, sammelt sich das überschüssige Wasser stattdessen an der Oberfläche und fließt dadurch beschleunigt in die Ozeane ab. Dem ohnehin instabilen Eisschild droht so immer mehr Massenverlust, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten.

Die Erderwärmung macht die Gletscher Grönlands immer instabiler und lässt die Eisriesen schmelzen. Das Eisschild büßt so seit Jahren an Masse ein – und zwar nicht zu knapp: Jedes Jahr verliert es so viel Eis, wie in fünf Bodenseen passen würde. Das Eis erwärmt sich dabei nicht nur von oben, sondern auch von unten durch subglaziale Seen.

Ein Forscherteam um den Dänen Horst Machguth von der Universität Zürich hat nun untersucht, wie sich der Klimawandel auf die oberflächennahen Schichten des Eisschildes auswirkt. Diese sogenannte Firnschicht besteht aus Schnee, der sich allmählich zu Gletschereis umwandelt. Auf Grönland ist sie bis zu 80 Meter dick.

Übersättigter Schwamm?

Aus früheren Studien weiß man, dass der Firn wie ein Schwamm wirkt: Er speichert Schmelzwasser, das an der Oberfläche entsteht und anschließend in den Firn einsickert, in sogenannte Eislinsen. „Unklar ist, wie der Firn auf die jüngst sehr warmen Sommer auf Grönland reagiert hat“, erklärt Machguth. „Mit unserer Forschung wollen wir herausfinden, ob der Firn die großen Mengen von Schmelzwasser speichern konnte, oder ob der Schwamm übersättigt wurde.“

So untersuchten die Forscher den Schmelzwasserabfluss im Firneis.© Geocenter Denmark

Im Laufe von drei Expeditionen legte das Wissenschaftlerteam insgesamt hunderte von Kilometern auf dem Eis zurück, analysierte mit Hilfe von Radar den Untergrund und bohrte in regelmäßigen Abständen 20 Meter tiefe Bohrlöcher in den Firn. Dabei orientierten sie sich auch an Standorten, an denen vor 15 bis 20 Jahren bereits vergleichbare Kerne gebohrt wurden.

Unerwartet massiver Eisdeckel

Der Vergleich von alten und neuen Kernen zeigte an mehreren Stellen, dass es im grönländischen Eis deutlich mehr Eislinsen gibt als früher und der Firn das Schmelzwasser ähnlich wie ein Schwamm gespeichert hat. Das ist aber nicht überall so. In tieferen Höhenlagen gebohrte Kerne zeigen ein anderes Bild: nämlich dass die außergewöhnlichen Mengen an Schmelzwasser direkt unter der Oberfläche eine überraschend massive Eisschicht bilden.

Vermutlich habe der intensive und wiederholte Eintrag von Schmelzwasser so viele Eislinsen geformt, dass diese schließlich ein weiteres Vordringen des Wassers verhinderten, vermuten die Forscher. Die vielen kleinen Linsen scheinen zu einer Eisschicht von mehreren Metern zusammengewachsen zu sein, die nun wie ein Deckel über dem nach wie vor porösem Firn liegt.

Schnellerer Masseverlust

Das hat jedoch Folgen: Der massive Eisdeckel hindert neu entstehendes Schmelzwasser daran, im Firn zu versickern. Es bleibt an der Oberfläche, wie auf Satellitenbildern deutlich zu sehen ist: Das Wasser bildet an der Oberfläche Schmelzwassertümpel und Flüsse und fließt dann zum Rand des Eisschildes ab.

Auf gleich zweifache Weise kann dies den Eisverlust des grönländischen Eisschilds fördern. Zum einen fließt das Schmelzwasser dadurch schnell ins Meer ab, bevor es beispielsweise wieder gefrieren kann. „Im Vergleich zur ursprünglichen Speicherung im porösen Firn erhöht dieser Mechanismus den Massenverlust“, erläutert Mitautor Mike MacFerrin, von der Universität von Boulder in Colorado. Zum anderen senken Schmelzwassertümpel die Albedo des Eises und verstärken damit das Auftauen von der Oberfläche her, wie Untersuchungen an Meereis zeigten.

Um welchen Betrag dieser Prozess den Massenverlust des ganzen Eisschildes erhöht, können die Forscher allerdings noch nicht abschätzen. Das Phänomen könnte jedoch weit verbreitet sein – eine ähnliche Veränderung des Firns haben Wissenschaftler nämlich auch schon in der Kanadischen Arktis beobachtet. (Nature Climate Change, 2016; doi: 10.1038/nclimate2899)

(Universität Zürich, 05.01.2016 – DAL)

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