Bindung geknackt? Forscher haben erstmals Wasserstoff in einen zuvor unbekannten Zustand gebracht. In ihrem Hochdruck-Experiment begannen die normalerweise zu Paaren verbundenen Wasserstoff-Atome, ab 320 Gigapascal ihre Bindungen zu lösen. Dies aber könnte der erste Schritt zu dem seit 80 Jahren vorhergesagten metallisch-atomaren Zustand des Wasserstoffs sein, so die Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum. Normalerweise jedoch kommt das Gas nicht atomar vor, sondern als zweiatomiges Molekül. „Dieses bildet eine der stärksten Bindungen in der Chemie – die H-H-Bindung“, erklären Philip Dalladay-Simpson von der University of Edinburgh und seine Kollegen. „Aber bereits vor fast 80 Jahren sagte man voraus, dass diese Verbindung bei ausreichend starker Kompression brechen könnte.“ Aus dem molekularen Gas soll der Theorie nach dann ein metallischer, atomarer Feststoff werden.
Vom Gas zum festen Metall
Tatsächlich gehen Forscher davon aus, dass genau dies mit dem Wasserstoff im Inneren des Gasriesen Jupiter geschieht: Er könnte mit zunehmender Tiefe erst flüssig, dann metallisch-fest werden. Diese zunächst überraschende Vorstellung wird erklärbar, wenn man berücksichtigt, dass Wasserstoff im Periodensystem in der gleichen Gruppe wie die Alkalimetalle Natrium, Lithium oder Kalium steht. „Diesen Zustand experimentell zu erzeugen, war eines der Hauptziele der Hochdruck-Forschung der letzten 30 Jahre“, so die Forscher.
2011 gelang es Wissenschaftlern immerhin, bei rund 270 Gigapascal eine erste Vorstufe dieses Zustands nachzuweisen. Bei dieser als Wasserstoff-IV bezeichneten Phase ist die Bindung zwischen den beiden Wasserstoffatomen im Molekül bereits stark geschwächt. „Man nimmt an, dass die Phase IV eine Mischung aus atomarem und molekularem Zustand ist – und das bei noch höherem Druck die komplette Dissoziation erfolgt“, erklären Dalladay-Simpson und seine Kollegen.
Veränderung ab 320 Gigapascal
Genau diesen Folge-Zustand könnten die Forscher nun in ihrem Hochdruck-Experiment zumindest im Anfangsstadium erreicht haben. Für das Experiment setzten sie molekularen Wasserstoff, Wasserstoff-Deuterid (HD) und molekulares Deuterium (D2) bei Raumtemperatur in einer Diamantstempel-Presse einem Druck von bis zu 388 Gigapascal aus. „Das ist der höchste Druck, dem Wasserstoff bisher in statischen Experiment ausgesetzt wurde“, sagt Dalladay.
Während der Kompression beobachteten die Forscher den Zustand des Wasserstoffs mit Hilfe der Raman-Spektroskopie. Sie erlaubt es, aus der Frequenz und Intensität des vom Molekül zurückgestreuten Lichts Informationen über seinen Bindungszustand zu gewinnen. Als der Druck in der Kammer 320 Gigapascal überstieg, zeigten sich im Spektrum deutliche Veränderungen, wie die Wissenschaftler berichten.
„Eine völlig neue Phase“
„Oberhalb von 320 Gigapascal beobachten wir graduelle, aber fundamentale Modifikationen in den Raman-Spektren“, berichten Dalladay-Simpson und seine Kollegen. „Dies spricht für den Übergang des Wasserstoffs in eine neue Phase – Phase V.“ Ihrer Ansicht nach könnte der Wasserstoff in diesem Zustand eine neue strukturelle Konfiguration annehmen, die den Übergang zum atomaren Zustand einleitet.
„Es ist sehr verlockend, wenn auch noch sehr spekulativ, die Phase V als den Beginn des vorhergesagten nicht-molekularen und metallischen Zustands des Wasserstoffs zu interpretieren“, konstatieren die Forscher. Möglicherweise würden schon wenig höhere Temperaturen oder Drücke ausreichen, um den Wasserstoff komplett dissoziieren zu lassen. „Flüssiger, nicht-molekularer Wasserstoff könnte im gleichen Druckbereich wie Phase V existieren, nur bei höheren Temperaturen“, meint Dalladay-Simpson.
Damit könnte der Nachweis des lange gesuchten atomaren und metallischen Zustands des Wasserstoffs sehr nahe gerückt sein. „Unsere experimentellen Daten liefern einen ersten Blick auf die physikalischen Eigenschaften des dichten Wasserstoffs oberhalb von 325 Gigapascal und grenzen die Druck- und Temperaturbedingungen ein, unter denen die neue Phase des Wasserstoffs existiert“, schließen die Forscher. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature16164)
(Nature, 07.01.2016 – NPO)