Verblüffend energiereich: Der rotierende Neutronenstern im Krebsnebel sendet die energiereichste Lichtstrahlung aus, die je von einem Stern gemessen wurde. Astronomen haben für diesen Pulsar Gammastrahlen-Pulse mit Energien von bis zu 1,5 Teraelektronenvolt nachgewiesen. Wie diese extreme Strahlung entsteht, darüber können die Forscher bisher nur spekulieren. Denn der gängige Mechanismus reicht dafür nicht aus.
Pulsare sind Neutronensterne, die starke Magnetfelder besitzen und schnell rotieren. Dadurch senden sie wie ein Leuchtturm regelmäßige, starke Strahlenpulse aus. Diese können sich allerdings ganz unterschiedlich verhalten. So entdeckten Astronomen 2014 einen Pulsar, der ständig zwischen Radiowellen und Gammastrahlen umschaltet. Ein anderer erzeugt den längsten Röntgenjet der Milchstraße.
Und auch der Pulsar im bekannten Krebsnebel sorgte schon früher für Überraschungen. Denn schon 2011 fiel Astronomen auf, dass der Neutronenstern in diesem Supernova-Überrest ungewöhnlich energiereiche Gammastrahlen aussendet. 100 bis 400 Gigaelektronenvolt erreichten die damals gemessenen Werte.
Vierfach höher als bisher gemessen
Jetzt jedoch hat dieser Pulsar die Latte noch einmal deutlich höher gelegt. Neue Beobachtungen des Krebsnebels mit dem MAGIC-Teleskop auf Teneriffa ergaben nun Gammastrahlenpulse von bis zu 1,5 Teraelektronenvolt. Das ist fast das Vierfache der vorherigen Werte und deutlich mehr, als jemals bei einem Pulsar gemessen.
Wie diese extrem hohe Energie zustande kommen, ist bisher unklar. Denn die Strahlung der Pulsare entsteht nach gängiger Theorie, durch die Wechselwirkung von Elektronen mit dem starken Magnetfeld des rotierenden Neutronensterns. „In der magnetisch geladenen, komplexen Atmosphäre des Neutronensterns werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, bevor sie zerstrahlen“, erklärt Razmik Mirzoyan vom Max-Planck-Institut für Physik.
Zu stark für gängige Modelle
Doch mit diesem Modell lassen sich Gammastrahlen nur bis einigen Gigaelektronenvolt Energie erklären – für die jetzt beobachteten Gammastrahlenpulse ist das viel zu wenig. Theoretisch gäbe es aber noch einen Mechanismus, der der Strahlung sozusagen nachträglich einen Energieschub verleiht. Dabei werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten Generation.
Diese Teilchen entstehen am äußersten Rand des Magnetfeldes in etwa 1.500 Kilometern Höhe. Dort wechselwirken sie mit UV- und Röntgenstrahlen sowie dem Magnetfeld. Anschließend übertragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrigenergetische Photonen und machen sie damit zu energiereichen Gammaquanten – die das Magnetfeld verlassen.
Nachträglicher Energie-Schub?
Diese Energieübertragung bezeichnet man als inversen Compton- Mechanismus. Durch diesen Effekt könnten sich theoretisch auch extrem energiereiche Gammastrahlen-Photonen bilden. Allerdings müsste diese nachträglich und weit vom Pulsar entfernt entstandene Strahlung eigentlich mit Verzögerung an den irdischen Teleskopen ankommen – doch das ist nicht der Fall, wie die Astronomen feststellten.
Die extremen Gammastrahlenpulse trafen stattdessen exakt zur gleichen Zeit am MAGIC-Teleskop ein wie energieärmere Radiowellen oder Röntgenstrahlen aus dem Inneren des Pulsar-Magnetfelds. „Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen Region am Rand des Magnetfeldes produziert wird oder die energiereiche Gammastrahlung eine Art ‚Erinnerung‘ an Strahlung niedrigerer Energie behält“, sagt Mirzoyan.
Das wäre zwar nicht ausgeschlossen, wie der Forscher erklärt. Aber was bei diesem Mechanismus wirklich geschieht, ist bisher kaum erforscht. „Langfristig brauchen wir daher neue, detaillierte theoretische Modelle, die dieses Phänomen beschreiben“, so Mirzoyan abschließend. (Astronomy and Astrophysics, 2016; doi: 10.1051/0004-6361/201526853)
(Max-Planck-Institut für Physik, 14.01.2016 – NPO)