Wer war der Werkzeugmacher? Auf der Insel Sulawesi haben Anthropologen primitive Steinwerkzeuge entdeckt, die es eigentlich nicht geben dürfte. Denn die Klingen sind schon 200.000 bis 100.000 Jahre alt und stammen damit aus einer Zeit, als es auf der Insel noch gar keine Menschen gab – so dachte man jedenfalls bisher. Wer diese Werkzeuge schuf – ob ein Menschenvetter, der Homo erectus oder doch die rätselhaften Hobbitmenschen, bleibt bislang offen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Nach gängiger Theorie besiedelte der Homo sapiens Australien und die östlich von Borneo liegenden Inseln erst vor rund 50.000 Jahren. Tatsächlich belegen Felsmalereien im Nordwesten Sulawesis die Präsenz des Homo sapiens vor rund 40.000 Jahren, andere, ältere Zeugnisse des Menschen gab es bisher dort nicht. Allerdings könnte der rätselhafte „Hobbitmensch“ Homo floresiensis schon vor einer Million Jahre auf die Nachbarinsel Flores gelangt sein.
Besiedelt schon vor gut 100.000 Jahren?
Jetzt sorgen neue Funde auf Sulawesi für weiteres Rätselraten. Denn bei Ausgrabungen im Süden der Insel entdeckten Gerrit van den Bergh von der University of Wollongong und seine Kollegen verblüffend alte Steinklingen und -werkzeuge. Eine Uran-Datierung von Tierknochen und -zähnen aus der unter den Funden liegenden Schicht sprechen für ein Alter von rund 200.000 Jahren. Eine Analyse von Sedimentproben deutet auf eine Entstehung der Steinwerkzeuge im Zeitraum vor 194.000 bis 118.000 Jahren hin.
Zu diesem hohen Alter passt auch die eher primitive Form der Steinwerkzeuge: Sie bestehen aus einfachen Abschlägen von größeren Steinen, die durch Schläge mit einem hammerähnlichen Brocken erzeugt wurden. „Obwohl ein Muster in der Technik zu erkennen ist, gibt es nur wenig Hinweise darauf, dass die Schöpfer dieser Steinklingen ihren Werkzeugen eine spezielle Form geben wollten“, erklären die Forscher. „Stattdessen wollten sie durch das Abschlagen wohl einfach scharfkantige Schneiden produzieren.“
Wer waren die Werkzeugmacher?
„Aus diesen Ergebnissen schließen wir, dass die Erstbesiedelung von Sulawesi bereits vor mindestens 118.000 Jahren erfolgt sein muss“, konstatieren van den Bergh und seine Kollegen. Das aber bedeutet, dass es in dieser Region schon Menschen gegeben haben muss, lange bevor der Homo sapiens auf dem Weg nach Australien hier vorüberkam. Wer aber waren dann die rätselhaften Schöpfer der Steinwerkzeuge?
Theoretisch gibt es dafür drei Kandidaten, wie die Forscher erklären: Die frühen Kolonisten könnten zum Homo floresiensis gehören, der schon seit mindestens 190.000 Jahren auf der Nachbarinsel Flores lebte. Möglich wäre aber auch, dass Vertreter des Homo erectus die Werkzeuge hinterließen, denn Relikte dieses Frühmenschen zeugen schon vor 1,5 Millionen Jahren von seiner Präsenz auf westlich liegenden Insel Java.
Und schließlich könnten sogar die bisher nur in Mittelasien nachgewiesenen Denisova-Menschen ihr Verbreitungsgebiet nach Südosten ausgedehnt haben.
Die Suche geht weiter
Ob jedoch einer dieser drei Kandidaten die jetzt auf Sulawesi entdeckten Werkzeuge schuf – und welcher von ihnen-, bleibt vorerst offen. Denn das ließe sich erst herausfinden, wenn menschliche Knochen oder Zähne aus dieser Zeit auf der Insel entdeckt werden. Doch leider fehlen diese Belege bisher, wie die Forscher berichten.
Außer den Steinklingen und ein paar Tierknochen haben die rätselhaften Bewohner Sulawesis offenbar kaum etwas hinterlassen. Die Paläontologen hoffen jedoch, künftig vielleicht auf einer der Nachbarinseln fündig zu werden. Denn ihrer Ansicht nach müssen diese geheimnisvollen Kolonisten mit den Meeresströmungen entweder von Norden aus Richtung der Philippinen gekommen sein, oder aber aus dem westlich benachbarten Borneo. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature16448)
(Nature, 14.01.2016 – NPO)