Doppelter Schub: Nach Ansicht einiger Physiker könnte es mehr als nur eine Phase der Inflation nach dem Urknall gegeben haben. Auf die explosive Ausdehnung des jungen Universums folgte demnach eine zweite, kürzere Expansionsphase. Noch lässt sich diese Hypothese zwar nicht beweisen, sie könnte aber erklären, warum es im heutigen Universum weniger Dunkle Materie gibt als es einige Modelle vorgeben, wie die Forscher im Fachmagazin „Physical Review Letters“ erklären.
Nach gängiger Kosmologie folgte auf den Urknall eine Phase, in der sich das noch junge, kleine Universum exponentiell ausdehnte. Innerhalb von rund 10 hoch -35 Sekunden – einen winzigen Sekundenbruchteil – dehnte sich das Universum um mehr als das Quintillion-Fache, vielleicht sogar um den Faktor 10 hoch 100 aus. Bislang allerdings ist diese kosmische Inflation zwar allgemein anerkannt, aber noch nicht bewiesen.
Zu viel Dunkle Materie?
Der Haken daran: Nach einigen kosmologischen Modellen müsste es nach einer so kurzen, einmaligen Inflation mehr Dunkle Materie im Kosmos geben als heute gemessen wird. Denn am Uranfang, als das gesamte Universum in einem kleinen, Milliarden Grad heißen Volumen konzentriert war, ermöglichte dies wahrscheinlich Wechselwirkungen zwischen den Teilchen der Dunklen Materie oder ihren Vorläufern. Diese kollidierten miteinander und löschten sich dabei gegenseitig aus.
Als das Universum jedoch abkühlte, kam diese Wechselwirkung fast völlig zum Erliegen. „Die Dunkle Materie interagiert heute nur sehr schwach, bei niedrigen Temperaturen kann eine signifikante Annihilation nicht bestehen bleiben“, erklärt Hooman Davoudiasl vom Brookhaven National Laboratory. Nach der Inflation blieb die Menge der Dunklen Materie daher nahezu gleich – sie macht heute rund ein Viertel des gesamten Universums aus.
Ein zweiter Schub?
Doch genau das ist das Problem: Denn einige Theorien, die die seltsamen Eigenheiten der kosmischen Physik gut erklären könnte, passen nicht zu dieser Menge an Dunkler Materie. Damit sie funktionieren, erfordern sie zumindest am Anfang mehr von diesem mysteriösen Stoff. Davoudiasl und seine Kollegen haben nun vielleicht einen Weg gefunden, Beobachtung und Modelle zu versöhnen: Indem sie einen weiteren, nachträglichen Schub der Inflation postulieren.
Zwischen dem Ende der großen Inflation und der Entstehung der ersten Atome könnte es ihrer Ansicht nach einen oder weitere kurze Schübe exponentieller Ausdehnung gegeben haben. „Sie wäre nicht so groß und heftig gewesen wie der erste, aber sie könnten eine nachträgliche Verdünnung der Dunklen Materie bewirkt haben“, so Davoudiasl.
„Keine Standard-Kosmologie“
Erst durch diese Verdünnung wäre dann die heute gemessene Dichte von Materie und Dunkler Materie erreicht worden. Zuvor aber blieb noch Zeit, um die physikalischen Prozesse in Gang zu setzen, die einige der kosmologischen Modelle erfordern. „Wir zeigen, dass schon mit dieser simplen Ergänzung die Menge der Dunklen Materie erklärt werden kann“, sagt der Physiker.
„Das entspricht definitiv nicht der Standard-Kosmologie, aber wir müssen akzeptieren, dass das Universum möglicherweise nicht immer den Regeln folgt, die wir bisher kennen“, meint Davoudiasl. Nach Ansicht von ihm und seinen Kollegen gibt es noch einen ganzen Bereich der kosmologischen Physik, der bisher nicht bekannt ist.
Noch keine Beweise
Allerdings: Bisher lässt sich ein solcher zweiter Schub der Inflation nicht beweisen, denn schon für den ersten fehlen bisher die Belege. Die Physiker hoffen jedoch, dass es in Zukunft zumindest Indizien für ihre Theorie geben könnte: „Wenn diese sekundäre Inflation passiert ist, dann müsste sie durch Energie charakterisiert werden können, die zumindest in Reichweite der großen Teilchenbeschleuniger wie dem Large Hadron Collider (LHC) am CERN oder dem Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory liegt.“ (Physical Review Letters; in press)
(DOE/ Brookhaven National Laboratory, 18.01.2016 – NPO)