Zeitzeugen an der Höhlenwand: In der Höhle von Chauvet könnten Steinzeit-Menschen das älteste bekannte Zeugnis eines Vulkanausbruchs hinterlassen haben. Denn einige der 36.000 Jahre alten Felsmalereien in der Höhle zeigen fontänenartige Elemente, die feuerspeienden Vulkanen ähneln. Sie könnten die Eruptionen einiger Vulkane zeigen, die damals in dieser Gegend ausbrachen, wie Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten.
Die Höhle von Chauvet in der französischen Ardeche ist für ihre urzeitlichen Felsmalereien weltberühmt. Vor 34.000 bis 37.000 Jahren hinterließen hier Steinzeit-Menschen farbige Handabdrücke, mit Holzkohle und Pigmenten gemalte Tier- und Symbolfiguren, aber auch abstrakte Formen. „Die Bedeutung einiger dieser Zeichen ist bis heute unbekannt oder Gegenstand verschiedener Hypothesen“, erklären Sébastien Nomade von der Université Paris-Saclay und seine Kollegen.
Rätselhafte Fontänen-Bilder
Für einige dieser abstrakteren Motive in der Höhle von Chauvet könnten die Forscher nun jedoch eine Erklärung gefunden haben. Diese Felsbilder ähneln sprühenden Fontänen, andere eher einem „W“ oder einem Schmetterling mit ausgefransten Flügeln. Nach Ansicht von Nomade und seinen Kollegen könnten diese Fontänen ein reales Ereignis dokumentieren: den Ausbruch von Vulkanen.
Denn wie die Forscher berichten, liegt nur rund 35 Kilometer von der Höhle entfernt ein vulkanisches Zentrum, das Bas-Vivarais-Vulkanfeld. Dieses war in drei ausgedehnten Perioden aktiv und verursachte dabei explosive, stombolianische Eruptionen bei denen Lavabrocken und Glut hoch hinausgeschleudert wurden. „Drei dieser Vulkane sind aus der Nähe der Höhe leicht zu sehen“, sagen Nomade und seine Kollegen.
Ausbrüche vor rund 30.000 Jahren
Ob allerdings diese Vulkane auch zur Zeit der Steinzeit-Künstler von Chauvet aktiv waren, ließ sich jedoch anhand bisherigen Daten nicht feststellen. Nomade und seine Kollegen haben nun Gestein von diesen drei Vulkanen gesammelt und mit Hilfe von Isotopen-Analysen des Elements Argon die Ausbruchsgeschichte der Feuerberge genauer als bisher möglich rekonstruiert.
Das Ergebnis: Zumindest ein Teil der Lava an den drei Vulkanen des Bas-Vivarais-Vulkanfelds stammt aus der Zeit knapp 36.000 und 29.000 Jahren. Dem Lavatyp nach handelte sich dabei um strombolianische Eruptionen, wie die Forscher berichten. Daher könnte bei diesen Ausbrüchen glühende Lava bis zu 200 Meter hoch in die Höhe geschleudert worden sein.
„Das war leicht zu sehen“
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass die damals an der Ardeche lebende Menschen eine oder mehrere dieser Eruptionen gesehen haben“, sagt Nomade. „Sie mussten nur einen niedrigen Hügel über der Höhle besteigen und nach Norden schauen, um die Vulkane zu sehen.“ Die Glut der Lava war nachts wahrscheinlich leicht zu erkennen und auch das Grummeln der Eruption könnten die Steinzeit-Menschen gehört haben.
Nach Ansicht der Forscher könnten die rätselhaften Fontänen-Muster an einigen Wänden der Chauvet-Höhle durchaus Abbilder dieser Eruptionen sein. „Die auffallende Form dieser sprühenden Muster erinnert an die typischen Lavafontänen bei strombolianischen Eruptionen“, sagen sie. Zudem passe die Ikonografie dieser Muster sehr gut zu später entstandenen Abbildungen von Eruptionen beispielsweise in Felszeichnungen des Porak-Vulkans in Armenien.
Ältestes Zeugnis einer Eruption
Sollten Nomade und seine Kollegen Recht haben, dann könnten die Fontänen-Muster in der Höhle von Chauvet die ältesten bekannten Vulkandarstellungen der Menschheit sein. Sie wären dann noch fast 30.000 Jahre älter als das steinzeitliche Wandgemälde im anatolischen Çatalhöyük. In diesem ist ein zweigipfeliger Berg zu sehen, der den nahegelegenen Vulkan Hasan Dagi darstellen könnte.
„Die Höhlenmalereien von Chauvet sind in Bezug auf ihre Technik, die Themen, die Komposition und die visuellen Innovationen für ihre Zeit eine echte Ausnahmeerscheinung“, konstatieren Nomade und seine Kollegen. „Es wäre daher nicht überraschend, hier auch die erste Darstellung eines Vulkanausbruchs der Menschheitsgeschichte zu finden.“ (PLOS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0146621)
(PLOS ONE, 18.01.2016 – NPO)