Neurobiologie

Gehirn erkennt Zahlen doch mit beiden Hälften

Anblick von Zahlen löst Aktivität in kleinem Areal beider Hirnhemisphären aus

Wo verarbeitet unser Gehirn Zahlen? © Wavebreakmedia/ iStock.com

Von wegen streng getrennt: Die Arbeitsteilung unseres Gehirns ist zumindest in Bezug auf Zahlen weniger ausgeprägt als gedacht. Denn entgegen bisherigen Annahmen verarbeitet unser Denkorgan gesehen Zahlen nicht nur in der rechten Hirnhälfte, sondern in beiden. Ein kleines, beidseitig vorhandenes Areal wird immer dann aktiv, wenn wir Zahlen sehen, wie die Forscher im „Journal of Neuroscience“ berichten.

Im menschlichen Gehirn herrscht Arbeitsteilung. Während Wörter und Sprache vorrangig in der linken Hemisphäre verarbeitet werden, ist für das Zahlenverständnis überwiegend unsere rechte Gehirnhälfte zuständig – so jedenfalls dachte man bisher. Darauf deuten auch Untersuchungen mit einigen Savants hin, die über ungewöhnliche Mathematik-Fähigkeiten verfügen. Allerdings: Einfache Rechenaufgaben und Mengenlehre erledigen wir zentral – mit dem Stirnhirn.

Mareike Grotheer von der Universität Jena und ihre Kollegen haben nun ein weiteres Indiz dafür entdeckt, dass unser Gehirn bei Mathematik eine weniger strenge Arbeitsteilung der Hirnhälften hat als angenommen. Für ihre Studie zeigten die Forscher Probanden jeweils für Sekundenbruchteile Zahlen, Buchstaben sowie Abbildungen von Alltagsobjekten und zeichneten währenddessen ihre Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) auf.

Aktivität rechts und links

Dabei zeigte sich: Entgegen vorherigen Annahmen leuchtete bei der visuellen Verarbeitung der Zahlen nicht nur ein Areal in der rechten Hirnhälfte auf, sondern in beiden. Ein kleines Areal an der Unterseite des linken und rechten Schläfenlappens reagierte bei der Präsentation von Ziffern mit erhöhter Aktivität. Buchstaben oder andere Abbildungen, aber auch verfremdete Zahlen führten dagegen zu einer deutlich geringeren Hirnaktivität in diesem Bereich.

fMRT-Aufnahme des Gehirns beim Zahlenversuch © Jan-Peter Kasper/ FSU

Die visuelle Verarbeitung von Zahlen findet demnach gleichermaßen auf beiden Seiten statt, wie die Forscher berichten. Zuständig dafür ist die sogenannte visual number form area (NFA). Dass es im Gehirn überhaupt ein Areal gibt, das bevorzugt Abbildungen von Zahlen verarbeitet, diskutieren Neuroforscher erst seit wenigen Jahren. Bisher aber vermutete man diesen Bereich nur in der rechten Hirnhälfte.

„Bisher ein blinder Fleck“

„Diese Region war bislang eine Art blinder Fleck im menschlichen Gehirn“, sagt Grotheer. Der Grund: Versteckt unter Ohr und Gehörgang, umgeben von Knochen und Luft, war dieses Gebiet nur sehr schwer abzubilden. Bisherige MRT-Scans wiesen meist zahlreiche Artefakte auf und verhinderten so detaillierte Untersuchungen.

Diese Hindernisse konnten die Forscher jedoch nun beseitigen, indem sie einen leistungsstarken 3-Tesla-Scanner nutzten, der sehr hochaufgelöste dreidimensionale Abbildungen mit wenig Artefakten liefert. Zudem entwickelten die Wissenschaftler eine Methode, mit der sie diese Aufnahmen räumlich glätten und so das übriggebliebene „Rauschen“ entfernen konnten.

Mit dieser Methode eröffnen die Neurowissenschaftler jetzt auch anderen Forschern die Möglichkeit für Untersuchungen in dieser bislang „unterbelichteten“ Hirnregion. „Hier werden nicht nur Zahlen erkannt, sondern auch Gesichter und Objekte“, erklärt Koautor Gyula Kovács. (Journal of Neuroscience, 2016; doi: 10.1523/JNEUROSCI.2129-15.2016)

(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 28.01.2016 – NPO)

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