Medizin

Niesen: Tröpfchenwolke ist komplexer als gedacht

Elastischer Schleim zerfällt später und fliegt weiter

Die Physik des Niesens birgt einige Überraschungen © decade3d/ iStock.com

Überraschung vor der Highspeed-Kamera: Wenn wir niesen, laufen in der Nieswolke erstaunlich komplexe Vorgänge ab. Das explosiv ausgestoßene Sekret bildet erst eine Art Blase, zerteilt sich dann zu fädigen Filamenten und bildet erst dann Myriaden von feinen Tröpfchen, wie Highspeed-Aufnahmen nun enthüllten. Sie zeigten auch: Elastischer Schleim fliegt beim Niesen weiter als sehr flüssiger.

Wenn die Erkältungswelle rollt, ist dem Niesen kaum zu entkommen: Irgendwo lässt bestimmt jemand einen dieser explosiven Fontänen von mikroskopisch kleinen Tröpfchen los. Diese werden beim Niesen in Sekundenbruchteilen auf Geschwindigkeiten wie in einem Tornado beschleunigt. Erst 2014 fanden Forscher mittels Highspeed-Aufnahmen heraus, dass die mit Viren beladenen Tröpfchen dabei rund 200 Mal weiter fliegen als bisher angenommen.

Niesen vor der Highspeed-Kamera

Jetzt haben Lydia Bourouiba vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ihre Kollegen noch mehr Überraschendes über unser Niesen herausgefunden. Wieder filmten sie dafür Probanden beim Niesen mit zwei Highspeed-Kameras, um die genaue Form und Struktur der Wolke aus Luft, Schleim und Wassertröpfchen zu erfassen. Sie wollten wissen, wie die Tröpfchen entstehen und wie sie sich verteilen.

Die komnplexe Struktur der Nieswolke zwischen sieben und 340 Millisekunden nach ihrem Ausstoß. © Scharfman et al./ MIT

Die Schwierigkeit dabei: Das Entscheidende beim Niesen passiert in einem Zeitfenster von nur 200 Millisekunden. „Es ist wichtig zu verstehen, wie die Flüssigkeit beim Niesen fragmentiert“, erklärt Bourouiba. Denn dieser Prozess der Tröpfchen- und Nebelbildung bestimmt letztlich, wie weit die Nieswolke fliegt und damit, wie weit sich Viren ausbreiten können.

Erst Ballon, dann Filament und Tropfen

Nach Analyse von mehr als 100 Nies-Filmen war klar: Die Tröpfchenwolke durchläuft beim Niesen einen sehr viel komplexeren Veränderungsprozess als bisher gedacht. „Was wir gesehen haben, war in vieler Hinsicht überraschend“, so Bourouiba. „Denn wir haben erwartet, dass die Tröpfchen die Atemwege schon voll ausgebildet verlassen. Doch das ist gar nicht der Fall.“

Stattdessen läuft das Ganze so ab: Unmittelbar nach Verlassen des Mundes bildet die ausgestoßene Flüssigkeit eine Blase, die sich wie ein Ballon mit der ausgeatmeten Luft aufweitet. Nach kurzer Flugstrecke jedoch zerplatzt dieser Ballon in dünne Filamente, die sich dann erst in einzelne Tröpfchen verschiedener Größe teilen.

Blick von oben und von der Seite (unten) auf den Zerfall der Filamente. © Scharfman et al./ MIT

Elastischer Schleim fliegt weiter

Und noch etwas stellten die Forscher fest: Das Verhalten der Nieswolke ist individuell stark variabel. Hat jemand eher zähen, elastischen Schleim, bleiben die Filamente länger zusammen und die Nieswolke fliegt als Ganzes weiter. Denn in ihr bilden sich erst nach einer Weile perlenförmige Ausbuchtungen an den fädigen Schleimfäden, die dann als Tröpfchen abgeschleudert werden und zu Boden sinken.

Diese Unterschiede zu kennen ist wichtig, um beispielsweise die Ansteckung durch das Niesen besser einschätzen zu können, wie die Wissenschaftler erklären. Gerade für Infektionskrankheiten wie die Influenza sei das von großer Bedeutung. „Wir versuchen mit Hilfe dieser physikalischen Forschung das Risiko für eine Kontamination genauer einzugrenzen“, so Bourouiba. (Experiments in Fluids, 2016; doi: 10.1007/s00348-015-2078-4)

(Massachusetts Institute of Technology, 12.02.2016 – NPO)

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