Mysteriöses Radiosignal: Erstmals haben Astronomen herausgefunden, woher einer der rätselhaften kosmischen Radioblitze kommt. Anhand seines Nachglühens verorteten sie die Quelle in einer sechs Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie und können nun einige mögliche Ursachen für diese ultrakurzen Blitze ausschließen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Dank subtiler Veränderungen im Radiosignal konnte sie zudem die bisher „fehlende“ Materie im Universum aufspüren.
Die sogenannte Fast Radiobursts sorgen schon seit einigen Jahren für Rätselraten. Anfangs entdeckten Astronomen diese nur Millisekunden dauernden Signale nur in den Daten des Parkes Radioteleskops in Australien. Weil man keine kosmische Erklärung für dieses Phänomen fand, glaubte man zunächst an atmosphärische Störungen – bis dann auch das Arecibo-Radioteleskop ein solches Signal einfing.
Eines der größten Rätsel im Universum“
Immerhin 16 Radioblitze wurden bisher identifiziert – aber immer erst Wochen oder Monate im Nachhinein. „Zu dieser Zeit war es dann schon zu spät für Nachbeobachtungen“, erklärt Studienleiter Evan Keane von der Swinbourne University of Technology im australischen Victoria. Als Folge war bisher weder bekannt, was diese Millisekunden-Pulse verursacht, noch woher sie kommen. „Diese Ereignisse sind eines der größten Rätsel im Universum“, erklärte deshalb John Mulchaey, Leiter der Carnegie Observatorien.
{2r}
Um endlich mehr zu erfahren, legten sich die Astronomen gezielt auf die Lauer und starteten ein Überwachungsprojekt am Parkes-Radioteleskop. Tatsächlich fingen sie Ende 2014 einen ersten Radioblitz live ein. Aber trotz sofortiger Beobachtung der Quellregion mit elf weiteren Teleskopen konnten sie nur die ungefähre Entfernung der Radioquelle ausmachen, nicht aber ihre Beschaffenheit.
Nachglühen verrät Herkunft
Jetzt jedoch hat sich dies geändert. Als das Parkes-Teleskop am 18. April 2015 einen weiteren Radioblitz der Frequenz 1,38 Megahertz einfing, richteten die Astronomen die sechs 22-Meter Antennen des Australian Telescope Compact Array (ATCA), das Effelsberg Radioteleskop in Deutschland und weitere Teleskope in die Richtung, aus der das Signal gekommen war.
Und diesmal hatten sie Erfolg: An der Quelle des nur Millisekunden kurzen Radiopulses war noch sechs Tage lang ein Nachglühen im Radiobereich zu messen. Erst dieses ermöglichte den Astronomen, seinen Ursprung zu lokalisieren. Wie sich zeigte, stammt der Radioblitz aus einer sechs Milliarden Lichtjahre von uns entfernten, elliptischen Galaxie. „Das ist das erste Mal, dass wie die Wirtsgalaxie eines solchen schnellen Radiopulses identifiziert haben“, betont Keane.
Keine Supernova und kein Pulsar
Und noch etwas verrät das Nachglühen: Seine Dauer und sein Verlauf engen das Spektrum der Ereignisse ein, die solche Radioblitze verursachen könnten. So waren bisher Pulsare ein Kandidat, doch ihre Pulse dauern nur wenigen Nanosekunden und glühen nicht nach. Ein solcher rotierender Neutronenstern kommt daher als Ursache zumindest für diesen Radiopuls nicht in Frage, so die Forscher.
Eine Supernova oder die Zerstörung eines Sterns durch Gezeitenkräfte würden dagegen ein deutlich längeres Nachglühen verursachen – hierfür ist der Radioblitz zu kurz. Gut passen könnte das Signal dagegen zu einem kurzen Gammastrahlenausbruch, wie die Astronomen berichten. Denn bei vieren solcher Gammablitze trat ein ähnliches Nachglühen auf und auch sie kamen aus fernen Galaxien.
Was genau die ultrakurzen Radioblitze auslöst, bleibt damit zwar noch immer ungeklärt. Aber zumindest konnten die Forscher einige mögliche Ursachen nun ausschließen. Sie hoffen nun auf weitere „in Flagranti“ ertappte Radioblitze, um mehr zu erfahren.
„Fehlende“ Materie aufgespürt
Die Verortung des Radioblitzes ist jedoch noch in anderer Hinsicht ein echter Glücksfall: „Indem wir nun auch die Entfernung kennen, können wir messen, wie dicht das Material zwischen seiner Quelle und der Erde ist“, erklärt Koautor Simon Johnston von der australischen Forschungsorganisation CSIRO. „Im Prinzip können wir so das Universum wiegen – oder zumindest die normale Materie, die es enthält.“
Nach gängiger Theorie macht die normale Materie nur knapp fünf Prozent des Kosmos aus, der Rest sind Dunkle Materie und Dunkle Energie. Doch bisher haben Astronomen nur rund die Hälfte der Materie durch Beobachtungen aufspüren können. Erst kürzlich vermuteten sie daher, dass sich die „fehlende“ Materie“ in Form von ionisierten Atomen im kosmischen Netzwerk aus heißen Gasfilamenten verstecken könnte.
Aus subtilen Veränderungen im ultrakurzen Radiopuls haben Keane und seine Kollegen nun ermittelt, wie viel Materie er bei seinem Weg zur Erde durchdrungen hat. Und diese entspricht recht gut den theoretischen Werten. „Unsere Beobachtungen und das Modell stimmen überein“, sagt Keane. Damit scheint der Wert von knapp fünf Prozent normaler Materie im Kosmos zu stimmen – wo auch immer sie sich konkret versteckt. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17140)
(ESO/ MPI für Radioastronomie/ Nature, 25.02.2016 – NPO)