Zentrale Stellgröße: Forscher haben herausgefunden, warum manche Menschen weiter Appetit haben, obwohl sie eigentlich längst satt sein sollten: Ein Enzym namens HDAC5 spielt bei der Vermittlung des Sättigungsgefühls offensichtlich eine bedeutende Rolle. Fehlt dieses Enzym, kommt das Sättigungssignal nicht mehr an den Appetitzentren an.. Als Folge droht Übergewicht, wie Versuche mit Mäuse zeigen. Gilt dieser Zusammenhang auch beim Menschen, könnten sich neue Therapiemöglichkeiten ergeben, berichten Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Das Sättigungshormon Leptin wird von Fettzellen produziert und gibt dem Gehirn ein Signal, sobald die Fettspeicher gut gefüllt sind. Kurz gesagt: Es wirkt appetithemmend und reguliert auf diese Weise die Nahrungsaufnahme. Bei übergewichtigen Menschen ist die Wirkung des Leptins jedoch oft gestört. Studien legen nahe, dass bei ihnen die Kommunikation zwischen Hormon und Gehirn nicht einwandfrei zu funktionieren scheint: Die Appetitzentren nehmen das Sättigungssignal nicht mehr wahr.
Wissenschaftler um Dhiraj Kabra vom Helmholtz Zentrum München haben nun untersucht, wie die Wirkweise von Leptin im Detail reguliert wird – und warum eine Fehlsteuerung bei manchen Menschen zu Übergewicht führen kann.
Gestörter Signalweg
Auf der Suche nach einem Schalter, der den eigentlich vorgesehenen Signalweg stören könnte, stieß das Team auf das Enzym HDAC5. Die Forscher beobachteten, dass genetisch veränderte Mäuse, die dieses Enzym nicht produzieren können, deutlich schlechter auf das Sättigungshormon reagierten – man spricht von einer Leptinresistenz.
Entsprechend zeigten sie eine durchgehend erhöhte Nahrungsaufnahme und wurden im Vergleich zu Mäusen mit intaktem HDAC5 verstärkt adipös, also dick. Aktivierte das Team die ausgeschaltete Enzymproduktion wieder, kehrte sich der Effekt um: Die Tiere verloren an Gewicht.
Auch den Mechanismus, über den das Enzym den Signalweg kontrolliert, konnten die Wissenschaftler entschlüsseln. Demnach ermöglicht HDAC5 einem wichtigen Transkriptionsfaktor namens STAT3, zum Leptin-Rezeptor zu wandern. Wird STAT3 dort durch das Leptin aktiviert, initiiert er bestimmte Prozesse, die letztendlich die Senkung der Nahrungsaufnahme bewirken. Ohne HDAC gelangt STAT3 nicht an seinen Wirkort. Es fehlt also ein wichtiges Bindeglied in der Kommunikation zwischen Fettgewebe und den Hungerzentren im Gehirn – und das Sättigungsgefühl bleibt aus.
Neue Therapiemöglichkeiten?
„Dank des Gehirnschalters HDAC5 kann der Körper den Füllzustand der Fettgewebsspeicher erkennen und seine Nahrungsaufnahme anpassen“, schließt Kabra. Künftig könne das Enzym neben den unabdingbaren Veränderungen im Ernährungs- und Bewegungsverhalten eine wichtige Stellschraube bei der Behandlung von Übergewicht und Adipositas werden.
Denn die Wiederherstellung der Leptinsensitivität ist den Forschern zufolge ein bedeutender Schritt auf dem Weg zur nachhaltigen Gewichtsreduktion und der Therapie von möglichen Folgeerkrankungen wie etwa Typ-2-Diabetes. Ob HDAC5 aber auch für die Bekämpfung der Adipositas und des Jo-Jo Effektes bei Menschen geeignet ist, muss sich erst noch zeigen. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/NCOMMS10782)
(Helmholtz Zentrum München, 01.03.2016 – DAL)