Medizin

Spielen im Freien kann Kurzsichtigkeit vorbeugen

Schon 40 Minuten täglich senken bei Kindern das Risiko einer Fehlsichtigkeit

Der Anteil der kurzsichtigen Menschen nimmt vor allem in den Schwellenländern rapide zu. © Cristina Romano/ freeimages

Freigang fürs Auge: Schon 40 Minuten täglich Spielen oder Toben im Freien können Kinder vor Kurzsichtigkeit bewahren – oder sie zumindest abschwächen und verzögern. Das legt eine Studie mit chinesischen Grundschülern nahe. Diejenigen, die täglich „Freigang“ verordnet bekamen, wurden im Verlauf von drei Jahren weniger häufig kurzsichtig als ihre stubenhockenden Altersgenossen. Augenärzte empfehlen daher Eltern, ihre Kinder möglichst oft nach draußen zu schicken.

Die Menschheit wird immer kurzsichtiger: Bei uns sind schon bis zu 40 Prozent der jungen Erwachsenen kurzsichtig, in China sind es sogar bis zu 90 Prozent. Dieser rapide Zuwachs legt nahe, dass nicht allein eine genetische Veranlagung dafür verantwortlich sein kann. Stattdessen scheint häufiges Lesen und Stubenhocken einer der Schlüsselfaktoren zu sein.

Studien belegen, dass die Bildung besonders oft zu Lasten der Sehfähigkeit geht: Jedes Schul- oder Studienjahr länger erhöht den Anteil der Kurzsichtigen. Was aber kann man dagegen tun? Schon länger besteht der Verdacht, dass der Aufenthalt im Freien und das ungefilterte Tageslicht der Ausdehnung des Augapfels bei Kindern und damit der Kurzsichtigkeit entgegenwirkt.

Verordneter „Freigang“

Mingguang He von der Sun Yat-sen Universität und seine Kollegen haben untersucht, wie sich regelmäßiger „Freigang“ auf die Augen von Kindern auswirkt. Dafür überwachten sie die Sehfähigkeit von knapp 2.000 Schülern an zwölf chinesischen Grundschulen. Die Hälfte von ihnen hatte über drei Jahre hinweg täglich 40 Minuten der Schulzeit draußen mit Spiel und Sport verbracht, die andere Hälfte dagegen nicht.

Chinesische Schulkinder wurden seltener kurzsichtig, wenn sie täglich 40 Minuten draußen spielten. © Dann Tarif/LWA/ iStock.com

Das Ergebnis: Nach drei Jahren waren bei der „Freigänger“-Gruppe nur 30 Prozent der Schüler kurzsichtig, bei den „Stubenhockern“ waren es zehn Prozent mehr. Unterschiede gab es auch im Ausmaß der Kurzsichtigkeit bei den Schülern: Die Kinder, die regelmäßig draußen spielten, hatten nach drei Jahren im Schnitt -1,42 Dioptrien, bei denen ohne diese Intervention waren es -1,59 Dioptrien.

Schon 40 Minuten bringen etwas

Das legt nahe, dass schon vergleichsweise kurze Aufenthalte im Freien, in diesem Fall 40 Minuten, ausreichen, um sich positiv auf die Sehfähigkeit auszuwirken. „Die Unterschiede waren zwar geringer als wir es erhofft hatten“, so die Forscher. „Aber es ist dennoch klinisch bedeutend: Gerade gerade kleinere Kinder, die früh kurzsichtig werden, haben das größte Risiko, später eine schwere Fehlsichtigkeit zu entwickeln.“

Und die gilt es zu verhindern. Denn eine starke Fehlsichtigkeit von -6 Dioptrien oder mehr erhöht das Risiko für schwere Augenerkrankungen wie eine Netzhautablösung, Grünen Star oder Makuladegeneration. „Daher könnte schon eine kleine Verzögerung der Kurzsichtigkeit bei Kindern langfristig überproportionale Gesundheitsvorteile bringen“, so He und seine Kollegen.

10.000 Lux sollten es schon sein

Deutsche Augenärzte empfehlen daher, Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter so viel wie möglich draußen spielen zu lassen. Um ein zu starkes Wachsen des Augapfels zu verhindern, sollten die Augen regelmäßig dem Tageslicht ausgesetzt sein. Das kann zumindest zum Teil die negative Wirkung des Lesens und vor dem Computer Sitzens ausgleichen.

Wirksam sind dabei Beleuchtungsstärken von rund 10.000 Lux. Dies entspricht ungefähr den Werten eines leicht bewölkten Sommertags. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches Klassenzimmer bringt es auf gerade einmal rund 500 Lux, kaum weniger hell ist es im Wohn- oder Kinderzimmer. (JAMA, 2015; doi: 10.1001/jama.2015.10803)

(Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft, 17.03.2016 – NPO)

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