Der rätselhaft kleinwüchsige „Hobbit“-Mensch von der indonesischen Insel Flores war offenbar doch kein Zeitgenosse des modernen Menschen. Er starb bereits vor rund 50.000 Jahren aus – und damit deutlich früher als bisher gedacht, wie neue Ausgrabungen und Datierungen von Material aus der Fundhöhle enthüllen. Das aber wirft ein ganz neues Licht auf die Einordnung dieses rätselhaften Menschentyps, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Die vor gut zehn Jahren in einer Höhle auf der Insel Flores entdeckten Fossilien des Homo floresiensis geben bis heute Rätsel auf. In seinem kleinen Wuchs und dem geringen Hirnvolumen ähnelt er dem Homo erectus, Datierungen bestimmten das Alter dieses unbekannten Menschentyps aber auf nur 18.000 bis 12.000 Jahre – er müsste daher zeitgleich mit dem modernen Homo sapiens gelebt haben.
Aufgrund dieser Diskrepanzen wird seit Jahren darüber gestritten, ob die „Hobbit“-Menschen eine eigene Menschenart waren oder einfach nur an einem Gendefekt oder sogar dem Downsyndrom litten.
Gestörte Schichtenfolge
Eine Entdeckung von Thomas Sutikna von der University of Wollogong in Australien und seinen Kollegen bringt nun mehr Licht in die Sache – und wirft neue Fragen auf. Bei ihrer Untersuchung des Untergrunds in der Fundhöhle der „Hobbits“ haben sie herausgefunden, dass die Abfolge der geologischen Schichten stärker gestört ist als noch vor gut zehn Jahren angenommen.
„Als wir unsere Ausgrabungen ausdehnten, wurde immer klarer, dass es ein großes Podest älterer Ablagerungen gab, die von einer Erosionsfläche mit jüngeren Sedimenten durchbrochen wurde“, erklärt Sutikna. Als die Archäologen damals Kohleproben für die Datierung sammelten, entnahmen sie diese nicht direkt neben den Knochen, sondern aus einem anderen Teil der vermeintlich gleichen geologischen Schicht.
Falsch datiert
Doch wie sich jetzt zeigt, war dies ein Irrtum: Die Knochen des Homo floresiensis stammen aus dem „Podest“ und damit dem älteren Teil der Gesteinsschichten im Höhlenboden. Die datierten Kohlestückchen jedoch kommen aus der jüngeren, nachträglich abgelagerten Sedimentschicht, wie Sutikna und seine Kollegen berichten. Ihr Alter kann daher nicht das Alter des Homo floresiensis widerspiegeln.
Um herauszufinden, aus welcher Zeit die Skelettfragmente tatsächlich stammen, haben die Forscher das Gestein am Fundort mit modernen Lumineszenz-Methoden neu datiert und Knochenproben aus drei Unterarmknochen des Homo floresiensis einer Uran-Thorium-Datierung unterzogen. Das Ergebnis: Die Skelette sind demnach schon zwischen rund 100.000 und 60.000 Jahren alt, die letzten Steinwerkzeuge der Hobbit-Menschen wurden auf 50.000 Jahre datiert, wie die Forscher berichten.
Kein Nachbar des Homo sapiens?
Das aber bedeutet, dass die Hobbit-Menschen fast 40.000 Jahre früher lebten als bisher angenommen – und dass sie in ihrer Region wahrscheinlich keine Zeitgenossen des anatomisch modernen Menschen waren. Denn diese wanderten erst vor rund 50.000 Jahren vom asiatischen Festland auf die Inseln Indonesiens ein. Zu dieser Zeit aber könnte der Homo floresiensis schon ausgestorben gewesen sein.
„Ob die ‚Hobbits‘ daher noch modernen Menschen oder anderen Menschengruppen begegneten, als sich diese über Südostasien ausbreiteten, bleibt eine offene und spannende Frage“, sagt Roberts. Er und seine Kollegen hoffen, dass künftige Funde die Geschichte der Hobbit-Menschen und ihrer Nachbarn weiter erhellen werden. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature17179)
(Nature, 31.03.2016 – NPO)