Weitreichende Folgen: Wenn eine schwangere Frau raucht, verändert dies wichtige Regulatoren im Erbgut ihres ungeborenen Kindes. Mehr als 400 solcher sogenannter Enhancer in der DNA werden dann unter Umständen dauerhaft modifiziert, wie deutsche Forscher herausgefunden haben. Das könnte erklären, warum solche Kinder später anfälliger für Diabetes, Krebs und Lungenerkrankungen sind.
Rauchen ist ungesund – soviel ist sattsam bekannt: Die Inhaltsstoffe des Tabakrauchs fördern Lungenkrebs, Gefäßerkrankungen, Rheuma und Impotenz. Sie machen Raucher zudem anfälliger für Infektionen und erschweren die Narkose. Man weiß inzwischen auch, dass das Rauchen während der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schaden kann: Es ist später anfälliger für Lungenkrankheiten, Krebs und Übergewicht.
Spurensuche im Epigenom
Aber warum? Auf welche Weise das Rauchen der Mutter ihr ungeborenes Kind beeinflusst, haben nun Tobias Bauer vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg und seine Kollegen untersucht. Für ihre Studie werteten sie die Daten von 622 rauchenden und nichtrauchenden Müttern und deren Kindern aus.
Speziell untersuchten die Forscher dabei epigenetische Veränderungen am Erbgut von Müttern und Kindern. Diese Modifikationen der DNA blockieren an bestimmten Stellen das Ablesen und regulieren damit die Genaktivität. Dies kann durch Anlagerungen von Methylgruppen geschehen, aber auch durch die Faltung der DNA und die Verpackung des Erbguts mit Hilfe von Hüllproteinen.
Lang anhaltende Veränderungen
Wie sich zeigte, verändert das Rauchen der Mutter nicht nur ihr eigenes Epigenom, sondern auch das ihres Kindes. „Wir konnten die epigenetischen Veränderungen sowohl bei den rauchenden Müttern als auch im Nabelschnurblut der neugeborenen Kinder nachweisen“, berichtet Seniorautorin Irina Lehman vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Diese Veränderungen beeinflussen wahrscheinlich bereits die Genregulation des noch ungeborenen Kindes.
Diese Modifikationen am Erbgut verschwinden jedoch nicht mit der Geburt. Stattdessen sind sie auch mehrere Jahre später noch an der DNA der Kinder nachweisbar, wie die Forscher feststellten. Allerdings ist dabei nicht ganz auszuschließen, dass dieser anhaltende Effekt durch das Passivrauchen der Kinder nach ihrer Geburt verstärkt wird, räumen die Wissenschaftler ein.
Verstärker-Regionen im gesamten Genom betroffen
Die Genanalysen enthüllten auch, was genau am Erbgut der Kinder durch das Rauchen verändert wird. Die Forscher haben erstmals festgestellt, dass durch das Rauchen besonders häufig sogenannte Enhancer-Regionen im Erbgut beeinflusst werden. Dabei handelt es sich um DNA-Abschnitte, die eines oder gleich mehrere Gene zu bestimmten Zeitpunkten aktivieren.
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„Wenn eine Enhancer-Region von den Wirkungen des Rauchens betroffen ist, kann dies zu einer Fehlregulierung von gleich mehreren Genen führen“, erklärt Lehmann. In ihrer Analyse haben die Wissenschaftler mehr als 400 im gesamten Erbgut verstreute Enhancer ausgemacht, die vom Tabakrauch betroffen sind. Diese regulieren Gene, die unter anderem bei Diabetes, Fettleibigkeit oder sogar Krebs eine Rolle spielen.
„Durch diese Entdeckung beginnen wir jetzt, die Mechanismen zu verstehen, die dazu führen, dass das Rauchen zu so unterschiedlichen Krankheiten führen kann“, sagt Koautor Roland Eils vom DKFZ. (Molecular Systems Biology, 2016; doi: 10.15252/msb.20156520)
(Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 06.04.2016 – NPO)