Ökologie

Forscher entdecken Riff in Amazonasmündung

Korallenriff beherbergt artenreiche Lebensgemeinschaften

Der Amazonas transportiert jährlich etwa 219.000 Kubikmeter Süßwasser in den Atlantischen Ozean © Jacques Descloitres/ NASA

Ungewöhnlicher Fund: Forscher haben im Bereich der Amazonasmündung ein riesiges Korallenriff entdeckt. Es erstreckt sich auf einer Fläche von 9.500 Quadratkilometern und beherbergt artenreiche Lebensgemeinschaften. Das Besondere: In dem schlammigen Wasser des Flussdeltas hätten die Wissenschaftler nicht mit einem solchen Fund gerechnet. Denn dort, wo sich Süß- und Meerwasser vermischen, kommen Riffe üblicherweise gar nicht vor.

Flüsse aus allen Teilen der Welt transportieren jedes Jahr Tausende Tonnen von Süßwasser in die Ozeane. Besonders große Mengen Flusswasser gelangen über den Amazonas ins Meer. Er ist für 20 Prozent allen Frischwassers verantwortlich, das weltweit über Flüsse in Ozeane fließt: Etwa 120.000 bis 300.000 Kubikmeter Süßwasser transportiert der Strom je nach Jahreszeit sekündlich ins Meer.

Dort, wo der Amazonas ins Meer mündet, entsteht eine sogenannte Flusswasserfahne – ein Gebiet, in der sich das frische Wasser aus dem Fluss mit dem salzigen Meerwasser vermischt. Von der Mündung ausgehend zieht sich diese Fahne hunderte Kilometer in den Atlantischen Ozean hinaus und sorgt dort für veränderte Lebensbedingungen. Das Süßwasser beeinflusst unter anderem den Salzgehalt, den pH-Wert sowie die Lichtdurchlässigkeit in diesem Bereich und bringt zahlreiche Nährstoffe und schlammige Sedimente mit.

Alter Bericht liefert Hinweis

Schlammiger Einstrom: Die Flussfahne des Amazonas bringt unter anderem Sedimente und Nährstoffe mit ins Meer © Lance Willis

Der Süßwassereinstrom wirkt sich dadurch auch auf das Vorkommen von Korallenriffen aus. „Flussfahnen produzieren typischerweise Lücken, in denen keine Riffe existieren“, sagen Rodrigo Moura von der Universität in Rio de Janeiro und seine Kollegen. „Dort ein Riff zu entdecken, wäre ungewöhnlich.“ Doch genau das ist den Wissenschaftlern nun gelungen.

Sie entdeckten die ungewöhnliche Struktur im Mündungsbereich des Amazonas während einer Expedition. Auf die Spur gebracht hatte das Team ein Forschungsbericht aus den 1970er Jahren. „Darin wurde erwähnt, dass in diesem Gebiet Fische gefangen worden waren, die eigentlich nur in Riffen vorkommen“, schreiben die Wissenschaftler.

Artenreiche Rifflandschaft

Mithilfe der alten Koordinatenangaben versuchten Moura und seine Kollegen, das Riff zu finden. Zudem nutzten sie akustische Methoden, um die typischen Geräusche aufzuspüren, die von Riffen ausgehen – und entdeckten auf diese Weise tatsächlich eine ausgedehnte Rifflandschaft am Grund des Amazonas.

In Proben aus der neu entdeckten Rifflandschaft stießen die Forscher auf zahlreiche Lebewesen © University of Georgia

Das Riff erstreckt sich auf einer Fläche von 9.500 Quadratkilometern und bietet den Forschern zufolge eine Heimat für zahlreiche Lebewesen. „Die Artenvielfalt dort ist enorm“, schreiben sie. Unter anderem entdeckten die Wissenschaftler 73 verschiedene Fischarten.

Die Fahne des Amazonas wirkt sich merklich auf die Lebensgemeinschaften am Riff aus, wie das Team berichtet. Denn die Bewegungen des Einstroms beeinflussen, wie viel Licht zum Meeresboden durchdringt. „Im Süden bekommt das Riff mehr Licht ab. Dort dominieren Korallen sowie Organismen, die Photosynthese betreiben. Weiter nördlich werden diese Lebewesen seltener. Stattdessen finden wir vermehrt Schwämme und andere Organismen, die von den Nährstoffen zehren, die die Flussfahne mitbringt“ , so Moura und seine Kollegen.

Schon in Gefahr?

Riff und Flussfahne sind demnach eng miteinander verbunden. Inwiefern die beiden Systeme einander im Detail beeinflussen und welche Rolle das Riff für das Ökosystem in der Amazonasmündung spielt, wollen die Wissenschaftler künftig genauer untersuchen. Doch ihre neue Entdeckung könnte schon jetzt in Gefahr sein – nicht nur wegen des Klimawandels, der zur Versauerung und Erwärmung der Ozeane beiträgt.

Entlang der Rifflandschaft soll aktuellen Plänen zufolge künftig nach Erdöl gesucht werden. „Das ganze System ist von menschlichen Einflüssen bedroht“, warnen Moura und seine Kollegen. (Science Advances, 2016; doi: 10.1126/sciadv.1501252)

(University of Georgia, 25.04.2016 – DAL)

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