Fettleibige Kinder durch Umwelthormone? Kinder haben mehr Körperfett, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft der Chemikalie Bisphenol A ausgesetzt war. Vor allem Mädchen scheinen von diesem Effekt betroffen zu sein, wie Forscher berichten. Damit erhärtet sich erneut der Verdacht, dass der Bestandteil vieler Kunststoffprodukte nicht so unbedenklich ist, wie lange angenommen.
Die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) steckt in vielen Alltagsprodukten – von Wasserflaschen, über Konservendosen, bis hin zu Plastikschüsseln und Kassenzetteln. Oft ist die Substanz Bestandteil von sogenannten Weichmachern, die Kunststoffe flexibel, geschmeidig und elastisch machen sollen. Doch die Chemikalie ist mehr und mehr umstritten.
Studien belegen, dass Bisphenol A in den Hormonhaushalt eingreifen kann – und womöglich sogar Autismus begünstigt, Wachstumsprozesse stört und Übergewicht verursacht. Wissenschaftler um Lori Hoepner vom Columbia Center for Children’s Environmental Health zeigen nun: Vorgeburtliche Belastungen mit der Chemikalie können bereits im Mutterleib den Grundstein für eine spätere Fettleibigkeit bei Kindern legen.
Nehmen betroffene Kinder schneller zu?
Den Verdacht, dass Kinder mehr Gewicht zulegen, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft bestimmten Umweltchemikalien ausgesetzt war, haben Forscher bereits im vergangenen Jahr formuliert. Sie hatten bei ihrer Untersuchung jedoch eine andere Substanz unter die Lupe genommen – und das bekannte Umwelthormon Bisphenol A aus der Studie ausgeschlossen.
Um diese Lücke zu schließen, begleitete das Team um Hoepner 369 Mutter-Kind Paare aus New York City vom Beginn der Schwangerschaft bis zum siebten Lebensjahr des Kindes. Die Wissenschaftler testeten den Urin der werdenden Mütter während des dritten Trimesters der Schwangerschaft auf Bisphenol A – und untersuchten auch den Urin der Kinder im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Zwischen dem fünften und dem siebten Lebensjahr wurden zudem Größe und Gewicht der Kinder erfasst sowie andere Körpermaße wie die Fettmasse.
Hauptsächlich Mädchen sind gefährdet
Die Ergebnisse zeigten: 94 Prozent der werdenden Mütter hatten Rückstände der Chemikalie in ihrem Urin – und das wirkte sich offensichtlich auf die spätere Entwicklung ihrer Kinder aus. „Auch nachdem wir andere Umweltfaktoren herausgerechnet hatten, korrelierte eine vorgeburtliche Belastung mit Bisphenol A mit einem höheren Fettmasse-Index im siebten Lebensjahr“, erklären die Forscher. Dieser Wert beschreibt die Körperfettmasse im Verhältnis zur Körpergröße und zum Taillenumfang.
Je höher die Konzentration des Umwelthormons im Urin der Mutter während der Schwangerschaft gewesen war, desto fettleibiger waren die Kinder. Allerdings offenbarte ein genauerer Blick auf die Daten, dass dieser Zusammenhang nur für ein Geschlecht so deutlich besteht.
Analysierten die Wissenschaftler die Daten von Jungen und Mädchen getrennt, konnten sie bei den Mädchen einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Belastung im Mutterleib, Fettmasse-Index und Taillenumfang feststellen – bei Jungen jedoch nicht.
Besondere Anfälligkeit in der pränatalen Phase
Auch die Belastung der Kinder nach der Geburt hatte in der Studie keinen messbaren Effekt: Hoepners Team konnte keine Korrelation zwischen dem BPA-Gehalt im Urin der Kinder und dem Grad des Übergewichts feststellen. Das zeige, dass Kinder vor allem in der pränatalen Phase besonders anfällig seien, so die Forscher.
„Der Beweis, dass eine vorgeburtliche Belastung mit Bisphenol A mit Übergewicht bei Kindern zusammenhängt, könnte eine wichtige Erkenntnis sein, um die aktuelle Adipositas-Epidemie zu verstehen“, schließen die Forscher. „Umwelthormone wie BPA verändern womöglich schon im Mutterleib den Stoffwechsel des Babys und beeinflussen, wie sich in der frühen Phase des Lebens Fettzellen bilden.“ (Environmental Health Perspectives, 2016; doi: 10.1289/EHP205)
(Columbia University’s Mailman School of Public Health, 18.05.2016 – DAL)